Mönche im Streit
erzählt von Saddhaloka, deutsch von Horst Gunkel
(c) Copyright by Saddhaloka and Horst Gunkel - letzte Änderungen 2014-02-11

Selbst in jenen frühen Tagen der buddhistischen Gemeinschaft war die Anwesenheit des Buddhas keineswegs immer die Garantie dafür, dass seine Anhänger nicht aus der Rolle fielen und Wut und Dummheit aufkamen. Der erste heftige Streit brach etwa zehn Jahre nach der Erleuchtung des Buddha auf und begann mit einem völlig unbedeutenden Zwischenfall unter den Mönchen, die bei einem Ort namens Kosambi lagerten.

Da waren zwei altgediente Mönche, einer ein Experte darin, was die Mönchsregeln betraf, der andere ein Experte hinsichtlich der Lehrreden. Eines Tages ging der Lehrredenexperte zur Latrine und ließ dort ein Behälter mit etwas Wasser zurück.  Der Regelexperte war kurz nach ihm auf der Latrine und fand das Wasser dort vor, also fragte er den Lehrredenexperten, ob er das Wasser dort zurückgelassen habe. Dieser bestätigte das.

„Aber du weist doch, dass es gegen die Regeln dieser Gemeinschaft ist, Wasser auf der Latrine zurückzulassen, oder etwa nicht?“

„Ja, das ist wohl so, also habe ich eine Regel übertreten, ich bekenne es.“

„Nun, wenn es unabsichtlich oder aus Vergesslichkeit geschehen ist, dann ist es kein Vergehen.“

Sie trennten sich und der Lehrredenexperte nahm nun an, dass die Sache damit ihr bewenden habe, da es unabsichtlich war. Der Regelexperte erzählte jedoch seinen Schülern, dass der Lehrredenexperte nicht wüsste, wann er ein Vergehen begangen habe. Diese wiederum erzählten es den Schülern des anderen Mönches: „Wisst ihr, dass euer Lehrer ein Vergehen begangen hat und meint, es wäre keines?“

Diese Schüler berichteten nun ihrem Lehrer davon, der darüber sehr ärgerlich wurde: „Der Regelexperte hat selbst gesagt, dass es kein Vergehen sei, und nun erzählt er anderen es sei eins, der ist doch ein Lügner.“

Natürlich wurde auch diese Entwicklung des Vorfalls weiterberichtet, diesmal an den Regelexperten. Dieser war außer sich vor Wut,  berief ein Ordenskapiteltreffen ein und erreichte die Suspendierung des Lehrredenexperten aus dem Orden. Der Lehrredenexperte aber dachte gar nicht daran, klein beizugeben, er war ein Mönch von einigem Einfluss und hatte eine Menge Freunde, die er nun davon in Kenntnis setzte, um sich so Unterstützung zu sichern, und schon bald war meilenweit im Umkreis ein heftiger Streit zwischen den Anhängern der beiden entbrannt. Die Aufspaltung wurde bald tiefer und verfestigter, die Gefühle immer verbitterter und die Lage entwickelte sich vom `unangenehm´ zu `entsetzlich´.

Als der Buddha von diesem Streit erfuhr, war er tief beunruhigt und begab sich sofort nach Kosambi, um mit den Mönchen zusammenzutreffen. Er lud die streitenden Mönche beider Parteien vor und versuchte, sie zur Vernunft zu bringen, aber erfolglos. Sie hatten sogar die Stirn, den Buddha aufzufordern wegzugehen, nicht zu vermitteln und sie ihren Streit ausfechten zu lassen. Angesichts dieser Verbohrtheit und Dummheit sah der Buddha, dass für ihn hier nichts mehr zu tun war, und er kehrte – tief betrübt – allein nach Savatthi zurück.

Der Konflikt eskalierte, und nachdem die Laienanhänger gehört hatten, dass die Mönche selbst die Intervention des Buddha zurückgewiesen hatten, entzogen sie den Mönchen ihre Unterstützung. Wenn die Mönche von Kosambi nun ihre Almosenrunden machten, standen sie vor verschlossenen Türen. Mit ebenso leeren Bettelschalen wie Mägen kamen sie schließlich zur Vernunft.  Sie stimmten zu, nach Savatthi zu gehen und ihren Disput im Beisein des Buddha beizulegen. Die Neuigkeit von der bevorstehenden Ankunft der streitbaren Mönche in Savatthi wurde von den dortigen Mönchen mit großer Besorgnis wahrgenommen. Sie wollten mit diesen wirklich nichts mehr zu tun haben, aber der Buddha bestand darauf die Besucher zu respektieren und gab genaue Anweisungen, dass die Kosambi-Mönche empfangen, beherbergt, ernährt und mit größtmöglichen Respekt und Fairness zu behandeln seien. Treffen wurden abgehalten und der Buddha diskutierte die Angelegenheit mit großer Sanftmut und Objektivität mit den Mönchen.

Allmählich kühlte die Hitze der Wut ab und die Mönche beider Seiten sahen deutlicher, was wirklich vorgefallen war und wie der Streit eskalierte. Der Lehrredenexperte sah sich in der Lage, seinen Stolz zu überwinden und seinen Fehler einzugestehen, seine Suspendierung zu akzeptieren und den Buddha zu bitten, ihn wieder in den Mönchsstand einzusetzen. Auch der Regelexperte gab sein Fehlverhalten zu, und ein Freundschaftsvertrag wurde abgeschlossen. Die beiden Seiten wurden versöhnt und die Mönchsgemeinschaft war wieder in Frieden.



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Das Blatt (ficus religiosa) im Hintergrund dieser Seite stammt vom Bodhi-Baum aus Anuraddhapura in Sri Lanka. Dieser ist ein direkter Abkömmling des Baumes, unter dem der Buddha seine Erleuchtung hatte.