Immer
mehr Menschen leiden in unserer Gesellschaft an Stress. Die
Anforderungen an uns nehmen zu: im Beruf, in der Familie, wo auch
immer. Der Anforderungsdruck steigt. Viele von uns sehen sich diesem
nicht mehr gewachsen. In den Beruf, in eine Beziehung, in eine Ehe mit
hohem Idealen und freudigen Erwartungen gestartet, sehen wir uns herb
enttäuscht und gleichzeitig immer mehr dem Druck, schneller zu sein,
mehr zu leisten, perfekter zu sein ausgesetzt. Das ist Stress. Die
klassische Definition von Stress ist übrigens: wenn der Körper hier ist
und der Geist dort.
Viele
fragen sich, wie sie das alles bewältigen sollen. Im Zwiespalt zwischen
hohen Anforderungen, naturgemäß beschränktem Leistungsvermögen und
enttäuscht über das Wenige, was von der Hoffnung auf die Umsetzung der
eigenen Ideale geblieben ist, wollen sie nicht mehr, können sie nicht
mehr: Burnout.
„Ich
bin ein Versager“, klagen sich die Betroffenen selbst an. „Andere
können das, nur ich nicht“, ist die Schlussfolgerung. Und es zeigt sich
kein Ausweg. Depression.
„Vielleicht
habe ich das alles falsch angegangen, kann ich evtl. einen Neustart
versuchen?“ ist noch die optimistischste Variante unseres Problems. Sie
heißt Lebenskrise.
Möglicherweise
haben Sie unter diesen vier Schilderungen von Stress, burnout,
Depression und Lebenskrise die ein oder andere bemerkt, die Ihnen nicht
fremd ist, bei der sie sagen konnten: „So – oder so ähnlich – geht es
mir auch.“ Vielleicht haben Sie diesen Eindruck sogar bei mehreren der
vier Symptombeschreibungen gehabt. Damit sind Sie nicht allein. Das
geht vielen Menschen so. Und mir ging es ebenso. Damals, vor 20 Jahren.
Aber mir wurde geholfen. Oder besser: Ich war bereit zu suchen – und
habe gefunden. Meine Suche richtete sich nicht nach irgendwelchen
neumodischen Wundertherapien, sondern ich habe bei alten
Weisheitstraditionen gesucht, bei spirituellen Botschaften, die der
Persönlichkeitsentwicklung dienen können. Ich will nicht ausschließen,
dass andere Traditionen das auch können, aber mir hat die Lehre des
Buddha geholfen.
Zugegebenermaßen
hatte ich zunächst bei der nächstliegenden spirituellen Tradition
gesucht, beim Christentum. Das hat für mich nicht funktioniert. Nachdem
ich dann ein Buch über den Islam gelesen hatte, wusste ich, dass dieser
Weg für mich noch weniger funktionieren würde.
Dann
jedoch bin ich über ein Buch gestolpert, das den Namen trug: „Die
großen nichtchristlichen Religionen“. Von dem, was da über die Lehre
des Buddha gesagt wurde, war ich beeindruckt, das hat genau meine
Situation beschrieben: gestresst, von burnout
geschüttelt, deprimiert, in einer Lebenskrise. Ich habe mich
entschlossen, mich daher näher mit dem Buddhismus zu beschäftigen. Das
hat mich Stück für Stück – sofortige Heilungswunder gibt es nicht – zu
einem fröhlicheren, offeneren, glücklicheren Menschen gemacht. Und
daher wäre ich froh, wenn es mir gelänge, auch dem einen oder der
anderen zu helfen, indem ich ihm oder ihr einen Weg aufzeigen kann, die
eigenen Probleme zu lösen und den Pfad zum dauerhaften Glück zu
beschreiten.
Und
was mich besonders erstaunt hat: Buddhismus war nicht das, was ich bei
einer „Religion“ erwartet hatte. Diese Lehre ist vielmehr eine ganz
praktische Handlungsanweisung zu einer Lebenseinstellung, in der
• Verlangen durch Großmut ersetzt wird, in der
• Abneigung durch Freundlichkeit überwunden wird, in der
• die verquere Sichtweise, die unsere Gesellschaft aufweist, ersetzt wird durch
• Sehen, wie die Dinge wirklich sind.
Der
Buddha hat einmal gesagt: So wie der große Ozean nur einen einzigen
Geschmack hat, den des Meeres, so hat auch meine Lehre nur einen
einzigen Geschmack, den Geschmack von Befreiung.
Ich werde später auf dieses Zitat zurückkommen.
2. Wer ist gestört?
Mein
Freund Shantipada, seit über 20 Jahren in einem buddhistischen Orden
ordiniert, hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass ich diesen
Abschnitt unbedingt in meinen Vortrag aufnehmen müsste. Ich denke er
hat Recht.
Der
erste Satz meines Vortrages lautete: „Immer mehr Menschen leiden in
unserer Gesellschaft an Stress.“ Und dann kam die Botschaft, dass ich
Ihnen, falls Sie betroffen sein sollten, Hilfe anbieten möchte.
Der
Buddha lehrt uns als erstes nach den Ursachen zu forschen. In dem Satz
„Immer mehr Menschen leiden in unserer Gesellschaft an Stress“ wird
eine Veränderung festgestellt „immer mehr“, es wird ein Problem
geschildert „leiden an Stress“ und es wird ein leidendes Subjekt
beschrieben: „Menschen“. Das ist alles richtig. Daher möchte ich
versuchen, Menschen zu helfen. Aber dieser einleitende Satz hat auch
noch eine adverbiale Bestimmung des Ortes, nämlich „in unserer
Gesellschaft“. Und wenn immer mehr „Menschen in unserer Gesellschaft
leiden“, dann kann das entweder daran liegen, dass diese Menschen
weniger stressresistent sind oder eben daran, dass die Gesellschaft,
dass die Wirtschaft, dass unser System, stressproduzierender geworden
ist.
„Du
musst den leidenden Menschen klarmachen, dass sie sich nicht
pathologisieren lassen dürfen, nicht sie als Individuen sind krank,
unsere Gesellschaft ist krank, unser Wirtschaftssystem ist krank. Die
einzelnen Menschen sind nicht pathologisch, unser Wirtschafts- und
Gesellschaftssystem ist pathologisch,“ hat mir Shantipada gesagt. Es
kann nicht Ziel sein, die Menschen einem unmenschlichen System
anzupassen, sondern ein unmenschliches System menschlicher zu machen.
Ich
denke, Shantipada hat völlig recht – einerseits. Andererseits hätte ich
meine Depression, meine Lebenskrise nicht überwunden, wenn ich vor
zwanzig Jahren beschlossen hätte, darauf zu warten, dass sich das
gesellschaftliche System ändert. Und selbst wenn ich mich entschlossen
hätte, das gesellschaftliche System ändern zu wollen, hätte ich bis
heute noch nicht mein Problem in dieser Gesellschaft überwunden. Mein
Problem war damals gerade, dass ich versucht hatte, das System zu
verändern. Ich hatte mich lange politisch
engagiert, um die Gesellschaft lebenswerter zu machen. Und ich war, als
ich feststellte, dass mir das noch viel weniger möglich sein würde, als
ich gedacht hatte, ausgebrannt, deprimiert, in einer existentiellen
Krise.
Also:
sowohl wissend, dass nur eine gesellschaftliche Veränderung helfen
kann, die generelle Stress-, Depressions- und Krisenproblematik zu
bewältigen und obwohl es gut ist, Teil dieser Veränderungsbewegung zu
sein, sei es einer sozialen Bewegung, einer ökologischen Bewegung,
einer globalisierungs- kritischen Bewegung, sei es bei Attack, bei
Occupy oder wo auch immer – mindestens genau so wichtig ist es, an uns
selbst zu arbeiten, um unser eigenes Problem zu lösen.
Unser
eigener Stress, unser burnout, unsere Depression, unsere Lebenskrise
ist zwar gesellschaftlich gesehen nur ein Symptom, und man soll nicht
an Symptomen kurieren, sondern die Ursachen eines Problems beheben.
Aber für mich persönlich, für mich als einzelnen, für mich als
Individuum, ist mein Stress nicht nur ein Symptom, sondern er ist das
Problem, mein individuelles Problem. Und da brauche ich jetzt Hilfe und
nicht am politischen St. Nimmerleinstag.
Einer,
der die Welt verändern wollte, weil er sah, dass sie die Menschen
kaputt macht, war Karl Marx. Wir wissen, dass marxistische Ansätze die
Welt zu verändern sie nicht gerade generell besser gemacht hat. Daher
scheint es mir wichtig, an diese Stelle den Unterschied in der Art der
Veränderung bei Marx und bei Buddha zu betrachten. Karl Marx sagte:
„Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert, es kömmt
aber darauf an, sie zu verändern.“
Das
ist der zentrale Ansatz bei Karl Marx. Und er klingt auch ein bisschen
bei dem an, was Shantipada sagte, obwohl der mit Sicherheit kein
Marxist ist. Und ich habe mich gefragt. „Wie würde daher der Buddha
diesen Satz gesagt haben?“ Die Antwort ist eigentlich sonnenklar. Der
Buddha, der ähnlich wie Marx auch der theoretischen Philosophie
kritisch gegenüber stand und sich selbst eindeutig als Praktiker sah,
hätte gesagt: „Die Philosophen mögen die Welt verschieden
interpretieren, es kommt aber darauf an sich selbst – und damit ein
Stück weit die Welt – zu verändern.“
Also: Klarmachen zum Ändern! (Die Parole stammt nicht von Marx, sie stammt ursprünglich auch nicht etwa von der Piratenpartei, sondern von einem tibetischen Lama). Lama Lobsang erläutert das Klarmachen zum Ändern so:
Wenn
du ein schwieriges Leben haben willst, dann versuche andere zu ändern.
Wenn du ein leichtes Leben haben willst, dann versuche dich zu ändern.
Und
zu dem gleichen Schluss bin ich vor 20 Jahren auch gekommen, als ich
meine politische Laufbahn abschloss: es kommt darauf an sich selbst,
und damit ein Stück weit die Welt, zu verändern. Indem ich mich selbst
ändere, ändere ich nämlich einen kleinen Teil der Welt; und indem ich
Vorbild bin und das, was mir geholfen hat, weitergebe, ändere ich die
Welt – ein Stückchen weit, ein kleines Stückchen weit, aber in einem
Umfang der wirklich praktikabel ist. Und ich will praktische Lösungen,
wie der Buddha.
3. Was der Buddhismus nicht leisten kann – und nicht leisten will.
- (1) Der Buddhismus kann nicht hier und jetzt die Welt ändern. Er will keine Weltrevolution.
- (2)
Der Buddhismus kann auch nicht mit einem Patentrezept aus ausgebrannten
Menschen von heute auf morgen glückliche Menschen machen.
- (3)
Und der Buddhismus kann dich nicht zu einem optimal funktionierenden
Glied unseres problematischen Wirtschafts- und Denksystems machen.
Und
wenn Sie erwartet haben, genau das wäre die buddhistische Antwort, die
hier angekündigt wurde und Sie müssten sie einfach nur schlucken, dann
wäre alles gut, dann muss ich Sie enttäuschen, dann gehen Sie lieber
jetzt nach Hause und retten Sie den Rest des Abends für sich. „Das
wahre Wunder“, sagt der Buddha, „dauert etwas länger.“
Und ich will Ihnen auch verraten, warum der Buddhismus die drei genannten Ziele auch gar nicht erreichen will.
Zum ersten Aussage:
Der Buddhismus kann nicht hier und jetzt die Welt ändern. Er will keine
Weltrevolution. Keine Revolution kann die Dinge wirklich von Grund auf
ändern. Das zeigt nicht nur die Geschichte, sei es die französichen
Revoltion, die russischen Revolution, die chinesische Revolution oder
welche auch immer. Weil die Menschen nämlich so sind, wie sie sind. Man
kann sich selbst ändern, aber man kann nicht andere Menschen gegen
deren Willen ändern. Alle entsprechenden Versuche haben zu Blutbädern
geführt oder in den Archipel GULAG.
Zur zweiten Aussage:
Der Buddhismus kann auch nicht mit einem Patentrezept aus ausgebrannten
Menschen von heute auf morgen glückliche Menschen machen. Das kann
niemand, das können nur – annäherungsweise - Drogen. Aber nicht von
heute auf morgen, sondern von jetzt auf gleich. Und morgen wachen Sie
mit Kater auf, oder Sie werden drogenabhängig und zerstören sich
selbst. Der Buddha ist kein Drogenhändler, seine Medizin wirkt langsam,
aber nachhaltig.
Und zur dritten Aussage:
Der Buddhismus kann Dich nicht zu einem optimal funktionierenden Glied
unseres problematischen Wirtschafts- und Denksystems machen. Es wäre
falsch, die Menschen zu optimal funktionierenden Gliedern einer
pathologischen Gesellschaft zu machen. Was würde das denn bedeuten?
Im
Nazistaat müssten dann die Menschen zu hasserfüllten Wesen werden, die
alle Andersartigen – Juden, Zigeuner, Kommunisten, Schwule – ausrotten
wollen. Sie müssten die Menschen gierig darauf machen dem „Volk ohne
Raum“ Lebensraum im Osten zu verschaffen und sie müssten sie so
verblendet machen zu glauben, all dies würde in einem Krieg gegen
England, gegen die Sowjetunion und gegen die USA zu einem für alle
Volksgenossen guten Ende kommen. - STONK!
Und
nachdem wir uns das an einer eindeutig pathologischen Gesellschaft
angesehen haben, am Nazistaat, betrachten wir es an einem anderen
pathologischen System, am herrschenden kapitalistischen System. Ich
habe das Nazisystem oben auf drei Begriffe reduziert, auf Hass, auf
Gier und auf Verblendung. Wobei dort Hass an Platz eins stand. Im
derzeitigen Wirtschafts- und Gesellschaftssystem steht Gier an Platz
eins. Und das gilt natürlich keineswegs nur für die Spekulanten im
Casino-Kapitalismus, die nach schnellen Gewinnen suchen und heute gegen
Griechenland, morgen gegen Frankreich und übermorgen gegen Deutschland
wetten, damit die Staaten immer mehr Milliarden zu Gunsten der
Spekulanten locker machen, das gilt auch für uns selbst. Wir haben
Wachstum zum Fetisch gemacht, immer mehr wollen, immer weniger dafür
ausgeben. Dieses System ist nicht nur kapitalistisch, es ist auch
konsumistisch. Wir alle sind daran beteiligt, denn uns treibt das
gleiche an, den Kapitalbesitzer und den Konsumenten. „Geiz ist geil“
war der Werbespruch eines großen Kaufhauses, inzwischen hat Saturn
umgesattelt auf die nächste menschliche mentale Fehlsteuerung, sie
werben jetzt mit „wir hassen teuer“ und hinter all dem steht die
verblendete Wahnvorstellung, dass immer mehr immer glücklicher mache. –
STONK!
4. Was der Beitrag des Buddhismus zur Hilfe ist.
Jetzt wissen wir also, was die buddhistische Antwort nicht ist,
• sie besteht nicht in einer kurzfristigen Weltveränderung
• sie besteht nicht aus einem Patentrezept, das Dich von heute auf morgen glücklich macht und
• der Beitrag des Buddhismus will gar nicht sein, Dich zu einem gut funktionierenden Teil eines schlechten Systems machen
Ja, was soll denn dann der Buddhismus sein?
Also erst mal, der Begriff, den ich die ganze Zeit verwende, der
Begriff „Buddhismus“, ist ein ganz unglücklicher. Er ist eine westliche
Erfindung für ein Praxissystem, das der Buddha vor 2500 Jahren
begründete. Mit etwas was auf –ismus endet, wird gewöhnlich ein
Theoriesystem bezeichnet. Ich habe bei Wikipedia nachgeschaut, dort
heißt es: Das Suffix -ismus ist ein
Mittel zur Wortbildung durch Ableitung. Das entstandene Wort bezeichnet
ein Abstraktum, oft ein Glaubenssystem, eine Lehre, eine Ideologie oder
eine geistige Strömung.
Der
Buddha hätte weit von sich gewiesen, ein Glaubenssystem oder eine
Ideologie zu verkünden. Was er verkündet hat, war ein Übungssystem, an
sich selbst zu arbeiten, um die grundlegenden menschlichen Probleme (a)
zu erkennen und (b) zu überwinden. Und wenn man das möchte, dann ist
der Dharma der richtige Weg. Das Wort Dharma heißt Naturgesetz und
bezeichnet die Lehre des Buddha. Obwohl also Buddha den „Dharma“
formulierte, ist dieses Wort selbst genauso wenig buddhistisch wie das
Gesetz der Schwerkraft wegen Newton englisch ist. Auch den Dharma soll
man nicht glauben, man soll ihn vorsichtshalber kritisch prüfen.
Als
der Buddha einmal von Leuten gefragt wurde, wem man denn bei so vielen
unterschiedlichen Weisheits-Lehrern glauben solle, wieso ihm und nicht
anderen da antwortete er: Geht,
nicht nach Hörensagen, nicht nach Überlieferungen, nicht nach
Tagesmeinungen, nicht nach der Autorität heiliger Schriften, … nicht
nach erdachten Theorien, nicht nach persönlichen Vorzügen, nicht nach
der Autorität eines Meisters oder der Autorität eines Priesters! Wenn
ihr aber nach sorgfältiger Prüfung selber erkennt: „Diese Dinge sind
heilsam, werden von Verständigen gepriesen, und, wenn ausgeführt,
führen sie zu eurem Wohlergehen und zu dem der anderen“, dann möget ihr
sie annehmen.
5. meine persönliche Lebenskrise und ihre Überwindung
Eigentlich hat es in meinem Leben zwei Krisen gegeben. Die erste Anfang der achtziger Jahre, die zweite Anfang der neunziger.
Wie
jeder – oder ich denke zumindest die meisten von uns – hatte ich als
junger Mensch eine relativ klare Vorstellung davon, was das Leben zu
bieten haben solle. Meine Lebensziele im zarten Jünglingsalter von
zwanzig Jahren waren
• glückliche Ehe und Familie
• einen sicheren Beruf, der mich erfüllt und ernährt
• eigens Haus
• möglichst viel Urlaub mit dem Wohnmobil
• gesellschaftlichen Einfluss nehmen
Zehn
Jahre später hatte ich irgendwie das alles, aber ich war keineswegs
glücklich, alles war nicht so, wie ich mir das in meiner jugendlichen
Verblendung vorgestellt hatte.
Ich
war verheiratet, hatte drei Kinder, aber meine Ehe lief ziemlich …
bescheiden. Wären da nicht die Kinder, wäre ich schon längst geschieden
gewesen.
Einen
sicheren Beruf wollte ich haben, ich habe Wirtschaft studiert, ging
dann in den Schuldienst, war Studienrat, also der Inbegriff von einem
sicheren Beruf, der einen ernähren kann. Aber ich ging nicht gern in
die Schule. Die Schüler waren ganz anders, als ich mir sie vorgestellt
hatte. Die Vorgesetzten und die Schulbürokratie waren … na, Sie werden
es sich denken können.
Ja, ich hatte ein eigenes Haus. Und die Folgekosten, und einen großen Garten dabei, der eigentlich viel gepflegter sein sollte…
Ja
- und ich hatte als Lehrer viel Urlaub und auch ein Wohnmobil, ich fuhr
am ersten Tag der Ferien weg und kam am letzten wieder, nur: dem, dem
ich eigentlich entfliehen wollte, konnte ich nicht entfliehen, es war
das Unbefriedigtsein, das in mir selbst wohnte.
Und den gesellschaftlichen Einfluss hatte ich durch meinen Verein, eine stenografische Organisation, die sich in mehrere Landesverbände gliederte und auch in Österreich und in der Schweiz vertreten war. STONK!
Ich
war todunglücklich und floh vor meiner häuslichen Misere in die Kneipe
und ließ mich vollaufen – bis ich erkannte so ging es nicht weiter.
Noch drei, vier Jahre, und du bist kaputt.
Ich
analysierte meine Ziele und dachte: das mit dem gesellschaftlichen
Einfluss, das musst du viel größer aufziehen, das wird deinem Leben
neuen Sinn geben, das wird dir Freude und Anerkennung bringen. So trat
ich Anfang der achtziger Jahre in die noch junge Partei der Grünen ein.
Das
ließ sich ebenso gut an, wie zuvor die Verwirklichung meiner anderen
Ziele. Im Jahre 1981 ging ich zum ersten Mal zu einer Versammlung
meiner Partei, im Jahre 1982 war ich Sprecher der Grünen Hanau, bei den
nächsten Kommunalwahlen im Jahre 1985 wurde ich Abgeordneter des
Kreistages des Main-Kinzig-Kreises, 1986 Fraktionsvorsitzender der
Regionalversammlung Südhessen, 1989 Spitzenkandidat meiner Partei bei
den Kommunalwahlen in diesem Kreis und 1990 kandidierte im Wahlkreis
Hanau/Gelnhausen für den Bundestag. Es machte mir Spaß. Bei der
Wahlkampf-Abschlusskundgebung der Grünen durfte ich auftreten, nur ich
und noch einer, den ihr sicher kennt. Ich war jetzt wer!
Leider
musste ich feststellen, dass ich zwar Erfolg hatte, Anerkennung bekam,
aber dafür entweder gezwungen war, meine Überzeugung zu verkaufen oder
mit dem Parteiestablishment in Konflikt geriet, und ich entschied mich
für letzteres. - STONK!
Wie
ich später erkannte, war das das Beste, was mir passieren konnte, denn
es führte mich in meine entscheidende Lebenskrise und damit direkt zur
Lösung. Der andere von uns beiden, der damals beim Wahlkampf die
Abschlussrede hielt, hatte dieses Glück nicht. Der arme Kerl musste
später den Vizekanzler und Bundesaußenminister spielen.
So
und nun entführe ich Sie in eine andere Zeit, 2500 Jahre zurück, und in
einen anderen Kontinent, nach Indien. Dort hatte auch ein junger Mann
seine Lebenskrise, es war Prinz Siddharta von Shakya. Er hatte alles,
was man sich wünschen konnte, er hatte drei Paläste, einen für den
Sommer, einen für den Winter und einen für die Regenzeit, er hatte eine
hübsche Frau und einen Sohn, er war ausgebildet als Stabsoffizier und
als Jurist, er hatte zahlreiche Sängerinnen
und Musikantinnen, die jederzeit für alle seine Gelüste zur Verfügung
standen, er sollte Nachfolger seines Vaters als Raja, als Herrscher,
des Kleinstaates Sakya werden. Und ihm war prophezeit worden, dass er
ein großer Weltenherrscher werde – oder ein Weiser, dessen Lehren noch
in Jahrtausenden weltweit praktiziert würden. - - - Und er war
unglücklich!
Es gab da etwas, das mehr sein musste als alles das. So floh er im
Alter von 28 Jahren bei Nacht aus dem Palast und wurde einfacher Asket,
Wanderer, der mit der Bettelschale durch Indien ging und die Wahrheit
suchte. Und er fand etwas, das ihn im Gegensatz zu allen irdischen
Freuden zu einem vollkommen zufriedenen Wesen machte. Und ich zitiere
jetzt aus einem Verehrungstext für den Buddha, denn das ist der Mann
von dem ich gerade spreche, in diesem Text heißt es:
Der
Buddha war ein Mensch, so wie wir Menschen sind. Was der Buddha
überwunden hat, das können auch wir überwinden. Was der Buddha erreicht
hat, das können auch wir erreichen.
Und was war das, was der Buddha erkannt hatte?
Nun es war das, was wir heute die Vier Edlen Wahrheiten nennen:
• Die Wahrheit von der Erkenntnis des Leidens.
• Die Wahrheit von der Ursache des Leidens.
• Die Wahrheit von der Überwindung des Leidens.
• Die Wahrheit von dem zur Überwindung des Leidens führenden Pfad.
Das
ist die einzig sinnvolle Art, wie jeder gute Arzt ein Problem angehen
kann, erkannte der Buddha, der sich als Arzt für psychisch leidende
Menschen sah.
Als erstes muss man das Leiden erkennen, dies geschieht, indem man die Symptome des Leidens erkennt, also z. B. burnout,
Stress, Depression, Lebenskrise. Es hat nun gar keinen Sinn an den
Symptomen herumzukurieren, vielmehr ist danach zu forschen, was dieses
Leiden verursacht, daher eben die Zweite Edle Wahrheit, nämlich die von
der Ursache des Leidens.
Ist
dies erfolgreich gelungen, dann geht es darum, das Leiden, das Problem,
die Krankheit zu überwinden, indem man die Ursache des Leidens
bekämpft, also die Dritte Edle Wahrheit, nur durch Bekämpfung der
Ursache, kannst Du die Folgen, das Leiden nachhaltig bekämpfen. Und schließlich die Therapie: Der Pfad zur Überwindung des Leidens, der aus acht Elementen besteht.
Aber
bevor ich darauf, also auf die buddhistische Antwort zu sprechen komme,
möchte ich erst noch einmal Lama Lobsang zitieren, er nennt vier
Vorbedingungen für Heilung
1. Erkenne den hohen Wert deines Lebens.
2. Erkenne das alles der Veränderung unterliegt, du auch, das ist deine Chance.
3. Erkenne, dass Leiden etwas Universelles ist, aber unterscheide zwischen
a) unvermeidbarem, physisch bedingten Leiden, nämlich Geburt, Alter, physische Krankheit und Tod
b) vermeidbarem Leiden, das ist alles nicht physische, das Geistgeschaffene
4. Erkenne den Einfluss von Karma. Das Wort Karma bedeutet zu deutsch: Handlungen haben Folgen.
6. …die buddhistische Antwort
Die Erste Edle Wahrheit ist die Erkenntnis des Leidens. Und das Leiden, mit dem wir uns heute beschäftigen wollen, ist burnout, Stress, Depression, Lebenskrise.
Nur
wenn wir erkannt haben, dass eines dieser Phänomene bei uns vorliegt,
dann macht es Sinn dagegen vorzugehen. Selbsterkenntnis ist bekanntlich
die Voraussetzung für Besserung. Nichts anderes sagt die Erste Edle
Wahrheit. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Es setzt voraus, dass
wir ein Problem in uns selbst erkennen, nicht nur in den anderen. Als
ich vor dreißig Jahren in die Kneipe rannte und Zuflucht beim Alkohol
suchte, da war mir nicht klar, dass ein Problem in mir liegt, sondern
ich sah es nur in anderen: meine Frau ist blöde, meine Schüler sind
blöde, das ganze Schulsystem ist saublöde – und dann noch die blöden
Rechnungen für Reparaturen am Haus, am Auto und, und, und.
Erst wenn wir erkennen
• ICH bin ausgebrannt
• ICH habe Stress
• ICH bin deprimiert
• ICH stecke in einer Lebenskrise
erst
dann können wir beginnen uns SELBST zu helfen. Damit ist der erste
Schritt getan. Aber längst noch nicht der Entscheidende.
Zu
Beginn meines Vortrages habe ich die vier Begriffe burnout, Stress,
Depression, Lebenskrise kurz erläutert und dann ausgeführt: „Möglicherweise
haben sie unter diesen vier Schilderungen von Stress, burnout,
Depression und Lebenskrise die ein oder andere bemerkt, die ihnen nicht
fremd ist, bei der sie sagen konnten: So – oder so ähnlich – geht es
mir auch.“
Und
wenn das der Fall war, dann haben Sie den ersten Schritt getan, aber
noch nicht den Entscheidenden. Denn allzu gerne suchen wir den
Schuldigen da draußen: den Ehepartner, den Arbeitgeber, die Kunden, das
System. Ja, die sind alle unvollkommen. Aber das Entscheidende, das wir
ändern können liegt in uns: Wieso verursacht uns das Leiden?
Und dabei können wir die gleiche Untersuchung vornehmen, die ich vorhin für zwei pathologische Systeme vorgenommen habe. Vorhin haben
wir uns das Nazisystem und das kapitalistisch-konsumistische
Wirtschaftssystem angesehen. Und wir haben festgestellt, was die beiden
– und nicht nur diese – eigentlich so pervers macht, es sind
1. Gier, Habenwollen, Verlangen
2. Abneigung, Hass, Aversion, Widerstand und
3. Verblendung, also der Versuch Mittel zum Glück in Dingen oder Personen zu suchen, die das definitiv nicht leisten können.
Ich fange einmal mit dem unbedeutendsten dieser drei an, mit Hass.
In meiner Situation vor 30 Jahren war, das:
- Meine Frau ist blöde! Was letztlich bedeutet: ich hasse meine Frau.
- Meine Schüler sind blöde! – Ich hasse meine Schüler.
- Das Schulsystem ist blöde! - Ich hasse dieses Schulsystem
- Die Rechnungen sind blöde! - Ich hasse diese Rechnungen!
Wir
könnten auch mildere Vokabeln verwendet als das Wort Hass. Widerwillen,
Abneigung, Aversion, Zurückweisung. Aber welche Vokabel wir auch
verwenden: wir wollen, dass das, was uns unangenehm ist, verschwindet.
Und
dann haben wir das zweite Problem, das ist schon viel bedeutender:
Gier. Es ist das konstituierende Element nicht nur des
kapitalistisch-konsumistischen Systems, es nagt in uns allen. Dabei
geht es uns ausgesprochen gut.
In
meiner Heimatstadt Gelnhausen hat früher zeitweilig der Kaiser
Barbarossa gewohnt. Als Kaiser des heiligen römischen Reiches deutscher
Nation, war er nicht nur einer der mächtigsten, sondern auch einer der
reichsten Menschen der Welt. Waren Sie einmal in der Kaiserpfalz?
Wollten Sie dort wohnen? Keine Zentralheizung, keine Glasfenster, kein
fließendes Wasser, kein Strom. Dieser reiche Kaiser musste im Winter in
seiner Pfalz sitzen, die Fenster notdürftig mit Stoff verhängt oder mit
Fensterläden verschlossen, durch deren Ritzen es eisig zog, während der
Kamin voll eingeheizt wurde, sodass man von vorne fast gebraten wurde,
während man an dem dem Fenster zugewandten Rücken vor Kälte mit den
Zähnen klapperte. Beleuchtet war das Ganze durch rußende
krebserzeugende Lampen und dazu genoss man viel zu fettes Essen, das
den eben erwähnten Krebs dadurch verhinderte, dass man schon vorher an
Herz- und Kreislaufleiden verstarb. Und selbst der Wein konnte
nicht einmal mit dem heutigen 3-€-Wein von Aldi konkurrieren. Also wir
sind heute verdammt reich, verglichen selbst mit den mittelalterlichen
Fürsten. Da hat es heute jeder Hartz-IV-Empfänger objektiv
besser.
Wir
sind also nicht arm, aber wir halten uns für arm. Und wenn wir nun noch
reicher wären, sagen wir eine Million Euro hätten, dazu ein großes
Eigenheim, Auto und eine Motorjacht? Wir würden uns Sorgen machen um
unseren Besitz, um die Folgekosten, um die Geldanlage in diesen
unsicheren Zeiten, in denen nicht einmal die Zukunft des Euro und das
Rating Deutschlands sicher sind.
Ganz anders einer der glücklichsten Menschen, ein Grieche. Ja, es gab
sie einmal, die glücklichen Griechen. Als Alexander der Große den
Philosophen Diogenes, der in einer leeren Tonne hauste, besuchte und
ihn fragte, ob er vielleicht irgend etwas für ihn tun könne, ihm irgend
einen Wunsch erfüllen könne, antwortete Diogenes dem damals mächtigsten
Mann Europas: „Ja, Alexander, gehe einen Schritt nach links, Du
verdeckst mir sonst die Sonne.“ Welch andere Sorgen sollte Diogenes
auch haben, er hatte Besitz und Eigentum transzendiert. Denn Reichtum
ist vergänglich. Warum sollten wir also danach streben. Ebenso
vergänglich sind attraktive Sexpartner. Stell sie Dir nur einmal
fünfzig Jahre älter vor… Oder man müsste sich immer hächelnd strampelnd
ins Hamsterrad stellen, um neue Partner/innen aufzureißen wie der olle
Berlusconi, um dann doch mit 80 noch keinen Schritt weiter gekommen zu
sein als 50 Jahre zuvor. Der superreiche Berlusconi ist ja so ein armer
Kerl.
Alle
Süchte, sei es Medikamentensucht, Alkohol, Nikotin, Genusssucht in
jeder Form oder Arbeitssucht benutzen wir einzig und allein um unser
Mangelgefühl, den Mangel an Sinn, zu betäuben – und nehmen damit alle
Risiken und Nebenwirkungen dieser Süchte in Kauf.
Glücklich
ist, wer das Problem der Gier erkannt und überwunden hat. Diogenes zum
Beispiel. Oder der Buddha. Oder mein Freund Uwe, ein Straßenmusikant.
Der hat mir einmal gesagt, das Schöne an dieser Welt sei, dass die
besten Sachen nichts kosten würden: am Main (er wohnte in Frankfurt)
auf einer Bank in der Sonne zu sitzen und den Enten zuzuschauen zum
Beispiel, oder im Ostpark auf der Wiese zu sitzen und in Meditation
tiefstes Glück zu empfinden. Und das Tolle: er hätte alle Zeit der Welt
das zu tun. Glücklicher, weiser Uwe.
Ich
höre im Kopf schon Dutzende von Einwänden ihrerseits, und ich weiß,
dass diese nachher in der Diskussion auch kommen werden. Um so
wichtiger unser Augenmerk auf die dritte Ursache, auf die wichtigste
Ursache, auf Verblendung. Verblendung heißt, von etwas einen Nutzen zu
erwarten, den dieses etwas nicht leisten kann.
Ja,
warum fand ich denn meine Frau so blöde? Weil ich andere Vorstellungen
davon hatte, was eine Ehe bedeutet als meine Frau zu geben bereit war.
Das heißt doch: meine irrige Vorstellung war die Ursache meines
Leidens.
Und
warum fand ich meine Schüler so blöde? Weil ich wollte, dass sie so
sind wie ich sie mir vorgestellt hatte. Sind sie aber nicht. Sie sind
nun einmal so, wie sie sind. Basta.
Auch vom Schulsystem muss ich mir wohl in meiner Verblendung andere Vorstellungen gemacht haben, als es ist.
Wir
erwarten immer irgendetwas. Wenn ich erst einmal ein eigenes Haus habe
– das wird toll. Wenn ich nur eine hübsche Freundin oder einen tollen
Freund hätte – das wäre toll. Ein Urlaub in der Südsee – das wäre toll.
Ein sicheren Beruf. Einen Lottogewinn. STONK!
Weil
wir unwissend sind bezüglich unsere geistigen Prozesse, glauben wir,
das alles Gute und Schlechte von außen kommt, daher hoffen wir auf
• den richtigen Job
• den richtigen Partner
• den perfekten Urlaub
• das richtige Medikament.
Es
gibt übrigens eine Studie über Glückempfinden, ich zitiere hierzu Jack
Kornfield, bei zwei Personengruppen, nämlich (a) Personen, die einen
Lottogewinn hatten und (b) Personen, die querschnittsgelähmt wurden.
Interessanterweise war bei beiden Gruppen das Glücksempfinden nach zwei
Jahren auf dem gleichen Level wie vor diesem scheinbar einschneidenden
Erlebnis.
- Wir
haben unsere Tagträume bezüglich der Zukunft und sind enttäuscht, wenn
die Zukunft Gegenwart wird, aber sich unsere Träume nicht erfüllen.
- Leute begreift endlich: das sind TRÄUME.
- Wacht auf!
- Das Wort Buddha heißt übrigens: der Erwachte.
Wer
immer hier an Stress leidet, an Depression, an burnout, in einer
Lebenskrise ist, der verhält sich anders als der Buddha, als Diogenes
und als mein Freund Uwe. Der hat Verblendung in sich, der hat Gier in
sich, der hat Aversion in sich.
Damit haben wir die Zweite Edle Wahrheit betrachtet, die da heißt: Die Wahrheit von der Ursache des Leidens.
Wenden wir uns der Dritten Edlen Wahrheit zu, der Wahrheit von der Überwindung des Leidens.
Die
ist kognitiv die einfachste. Um das Leiden zu beseitigen, musst Du
seine Ursache beseitigen. Also: verbanne Gier, Abneigung und
Verblendung aus Deinen Verhaltensmustern. Klingt einfach. Ist aber
verdammt schwer!
Und genau dort liegt das Problem: es geht nicht darum etwas kognitiv zu
begreifen, zu begreifen, dass unsere Gier, unser Hass und unsere
Verblendung die Ursache unseres Leidens sind, denn das sind tief
verwurzelte, jahrelang eingeübte, ich möchte sogar sagen über die
Evolutionsgeschichte jahrmillionenlang eingeübte Verhaltensmuster - und
deshalb so schwer zu überwinden.
Und
genau deswegen sieht sich der Buddha nicht als Philosoph, nicht als
Theoretiker, sondern als ein Mann der Praxis. Er hat Praktiken
entwickelt, wie man diese eingefahrenen, evolutionsgeschichtlich
bedingten aber auf unserer Evolutionsstufe hinderlichen weil
überkommenen Verhaltensmuster beseitigen kann.
Und dies ist die Vierte Edle Wahrheit, die Wahrheit von dem zur Überwindung des Leidens führenden Pfad.
Und
das ist nun wirklich etwas Schwieriges, denn hier müssen wir an uns
selbst arbeiten. Müssen unsere falschen Projektionen, die Verblendung
überwinden. Müssen uns von unserem evolutionsbedingten animalischen
Reiz-Reaktions- Schema, frei machen, denn genau das ist es, was Gier
und Hass bedingt.
Der
Buddha hat diesen Pfad, der die Vierte Edle Wahrheit bildet, den Edlen
Achtfältigen Pfad genannt, denn es gilt acht Übungsfelder immer
tiefergehend zu beackern. Ich werde Ihnen diese Übungsfelder kurz
benennen, denn sie tiefgehend zu erläutern, dazu würde die Zeit hier
und heute nicht reichen. Hier also diese acht Übungsfelder, an denen
wir arbeiten müssen:
(1) Richtige Vision
(2) Richtige Emotion
(3) Richtige Rede
(4) Richtiges Handeln
(5) Richtiger Lebenswandel
(6) Richtiges Bemühen
(7) Richtige Achtsamkeit
(8) Richtige meditative Vertiefung
Man
kann auch eine gewissermaßen abgespeckte Version, eine vereinfachte
Darstellung dieses Modells des Pfades haben, das nennt sich dann der
Dreifache Pfad, er besteht aus
• Ethik
• Meditation
• Weisheit
Das bedeutet,
(1) dass ein ethisches Leben die Grundlage ist, auf dem man aufbaut,
(2) dass man auf dieser Basis aufbauend meditiert und somit
(3) allmählich Weisheit erwirbt, wobei Weisheit nicht gleichbedeutend
ist mit Wissen, sondern bedeutet, die Dinge so zu sehen, wie sie sind,
nicht verblendet, sondern wie einer der nicht mehr träumt, ein
Erwachter, ein Buddha.
Und der wird man durch die heilige Wandlung, nämlich
1. erkenne, was ist
2. akzeptiere, was jetzt ist
3. erforsche das, was ist
4. identifiziere dich nicht mit dem, was noch da ist
5. lass los!
Fazit: Um das Leiden, das sich in unserer Gesellschaft besonders durch Stress, durch Depression, durch burnout äußert, zu überwinden, muss man dessen Ursachen erkennen. Diese sind
- irrtümlich Projektionen (also Verblendung),
- den Wunsch Haben zu wollen (also Gier)
- und den Wunsch alles das weghaben zu wollen, was uns stört (also Abneigung).
Wer
daran arbeiten möchte, für den gibt es ein umfassendes Übungssystem,
das man den Achtfältigen Pfad nennt. Um dieses zu üben musst Du nicht
Buddhist werden. Du musst ja auch nicht, wenn du joggen gehen willst,
erst Turnvater-Jahnist werden.
Es
langt, wenn du dir überlegst, ob das Vorgehen vernünftig erscheint, und
ob du probeweise in das Übungssystem einsteigen willst.
Ein
solcher Einstieg wäre, sich vertiefend informieren zu wollen. Es gibt
massenweise Bücher zu dem Thema. Ich biete ein Seminar an:
„Buddhistisch Psychologie“ in dem wir uns genauer ansehen, wie unser
Geist arbeitet. Wir bieten auch in Gelnhausen wöchentliche Offene Meditationsabende an, an denen jeder teilnehmen kann. Hier üben wir, an unserem Geist zu arbeiten.
Natürlich
können Sie auch bei jeder anderen Gemeinschaft, die die Praktiken des
Buddha anbietet, teilnehmen, je nachdem, wo sie glauben das zu finden,
was Ihnen entspricht.
Ich
will Ihnen nichts versprechen, ich kann nur anbieten: probieren Sie es
aus. Oder um die Empfehlung zu verwenden, die der Buddha ausgesprochen
hat: Komm und sieh´ selbst!
Und
noch eines, um die ärgsten Bedenken zu zerstreuen: Niemand erwartet,
dass Sie wie Diogenes in der Tonne leben oder wie der Buddha mit der
Bettelschale durchs Land ziehen. Auf dem zwölfstufigen Pfad kommen die
Schritte Entsagung und Triebversiegung sehr weit hinten, ich möchte
daher nur die ersten sechs Stufen aufzählen, die jemand, der oder die
den Übungsweg des Dharma geht, erreichen wird.
Stufe 1: Erkenntnis des Leidens
Stufe 2: Vertrauen in den Pfad des Dharma
Stufe 3: Freude
Stufe 4: Verzückung Stufe
5: zur Ruhe kommen Stufe
6: Glückseligkeit
Entsagung
kommt erst als Stufe 9 und Triebversiegung als Stufe 10. Jede und jeder
ist eingeladen ein Stück des Weges zu gehen, so weit er oder sie eben
möchte. Vielleicht sind Sie ja bis heute den ersten Schritt schon
gegangen: Erkenntnis des Leidens.
Und wenn ich am Anfang den Buddha zitierte, der sagte, „So
wie der große Ozean nur einen einzigen Geschmack hat, den des Salzes,
so hat auch diese Lehre nur einen einzigen Geschmack, den Geschmack von
Befreiung“, so sollte inzwischen klar geworden sein, wovon dieses Übungssystem befreit:
Der Dharma befreit von unseren Anhaftungen
- und von deren 1000 verschiedenen Ausprägungen.
Der Dharma befreit von unseren Widerständen
- und deren 1000 verschiedenen Ausprägungen
Der Dharma befreit von unserer Ignoranz
- und deren 1000 verschiedenen Ausprägungen.
7 . praktische Tipps
Wenn
Sie Berührungsängste mit dem Begriff „buddhistisch“ haben, was ich
verstehen kann, denn nicht alle Menschen haben mit dem, was irgendwie
nach Religion klingt, positive Erfahrung gemacht: es gibt eine der
buddhistischen Methode sehr eng verwandte Richtung, sie nennt sich MBSR
(mindfulness based stress reduction) und diese wird seit 30 Jahren
erfolgreich angewendet. Die Methode ist von Jon Kabat-Zinn entwickelt
worden, einem inzwischen emeritierten Professor der University of
Massachusetts.
- Es
gibt dazu einwöchige Veranstaltung von Jon Kabat Zinn, die kostet
allerdings gut 1000 € und wird in englischer Sprache abgehalten.
- 2.
Es gibt an vielen Stellen in Deutschland Trainings in MBSR, diese sind
natürlich von unterschiedlicher Qualität, je nachdem, wer sie leitet.
Eine entsprechende Liste finden Sie im Internet, einfach in eine
Suchmaschine MBSR eingeben.
- 3. Es gibt aber auch umfangreiche Literatur und CDs zu MBSR, auf deutsch vor allem vom arbor-Verlag.
- 4.
Um sich zunächst vertrauter mit dem Verständnis, wie unser Geist nach
Auffassung der Buddhisten arbeitet, zu informieren, bieten wir in
Gelnhausen ein Wocheendseminar „Buddhistische Psychologie“ und
alternativ dazu einen sechswöchigen Abendkurs an.
- 5.
Vielleicht wollen Sie auch einfach einmal reinriechen in das, was wir
in Gelnhausen als Arbeit an unserem Geist anbieten. Jeden Donnerstag
haben wir einen Offenen Abend, der um 18.15 h mit einer Einführung in
die Meditation beginnt.
- 6.
Wenn Sie sich auf unsere E-Mail-Liste eingetragen haben, erhalten Sie
monatlich ein Rundschreiben von uns, wo weitere Veranstaltungen
eingetragen sind.
- 7.
Falls Sie sich irgendetwas, von dem was ich hier eben gesagt habe nicht
merken konnten und es gern noch einmal lesen oder hören möchten, mein
Vortrag ist im Internet unter www.gelnhausen-meditation.de zum Lesen
und als AudioDatei zugänglich.
Zu Meditation am Obermarkt
Zurück zu den Artikeln und Vorträgen
Zu den Audio-Vorträgen