Mit Taten liebevoller Güte läutere ich meine Körper
Vortragsreihe „Das Gute Leben“ Teil IV (2013)
von Horst Gunkel bei Meditation am Obermarkt,
Gelnhausen
überarbeitet im Oktober 2019
Letzte Woche sprach ich über den ersten von fünf buddhistischen
Vorsätzen, den Vorsatz der Gewaltlosigkeit. Auch heute werde ich über
diesen ersten Vorsatz sprechen, jedoch in seiner positiven
Formulierung. Letzte Woche erläuterte ich also, was man gemäß des
ersten Vorsatzes nicht tun sollte, nämlich Gewalt anwenden. Heute
hingegen geht es darum, was man gemäß des ersten Vorsatzes tun sollte,
daher lautet der Titel meines Vortrages: „Mit Taten liebevoller Güte
läutere ich meinen Körper“, so rezitieren wir ihn im Rahmen der sog.
„Zufluchten und Vorsätze“, mit denen sich Buddhistinnen und Buddhisten
daran erinnern, um was es ihnen geht.
Da
fällt als erstes der vielleicht etwas altmodisch nach
lavendelduftverströmenden alten Damen riechende Ausdruck „liebende
Güte“ auf. Güte ist natürlich das, worum es in der gesamten
Vortragsreihe „das Gute leben“ geht, es geht darum, das Gute zu leben.
Das ist auch das Ideal der griechischen Antike, wie wir es bei Platon
finden, er nennt das Wahre (τὸ ἀληθές), das Schöne (τὸ καλὸν) und das
Gute (τὸ ἀγαθόν) als zentrale Ideen in seinem Sonnengleichnis. Der
deutsche Humanismus übernahm dieses Ideal, und so findet sich der
Spruch „dem Wahren, Schönen, Guten“ zum Beispiel über dem Säulenportal
der Frankfurter Oper. Das Gute sonnengleich auszustrahlen, wie es die
Vision nicht nur von Platon ist, bedeutet Güte auszuströmen. Aber dies
ist nichts Emotionsloses wie die Sonnenstrahlen, die einem spätestens
in der mittäglichen Wüste keineswegs mehr besonders gütig erscheinen,
sondern es muss eine emotionale Qualität darin sein,
die Qualität der Liebe, die übrigens Papst Benedikt XVI. mit Gott
gleichsetzte, wie der Titel seiner Enzyklika verkündet „Deus caritas
est“, also „die Liebe ist unser Gott“.
Liebende
Güte ist also eine Qualität die für unterschiedlichste philosophische
und spirituelle Traditionen im Zentrum steht. Und „liebende Güte“ ist
auch die übliche Übersetzung des Terminus „metta“ ins Deutsche. Wenn wir heute hier die metta bhavana geübt haben, dann ging es darum, dieses metta,
diese Freundlichkeit, diese emotionale Wärme, diese Empathie, dieses
Wohlwollen unterschiedsgleich auf alle Wesen auszustrahlen, auf die
eigene Person, auf die edle Freundin, auf die neutrale Person, auf die
Person, mit der wir Schwierigkeiten haben, letztendlich auf alle
fühlenden Wesen, die der ganze Weltraum birgt. Dieses sonnengleiche
Ausstrahlen der liebenden Güte, ist das, was Platon im Sonnengleichnis
meint, und es ist das, was der Buddha und andere indische
Meditationslehrer meinen, wenn sie die Praxis der liebenden Güte, der metta bhavana, lehren.
Damit
sollte von dem Vorsatz „Mit Taten liebevoller Güte läutere ich meinen
Körper“, der Ausdruck „liebende Güte“ hinreichend erläutert sein. Ich
möchte nun zu dem Begriff „Taten“ kommen. Taten sind Handlungen. Wir
handeln auf drei Ebenen, wir handeln mit Körper, Rede und Geist. Das
ist übrigens auch damit gemeint, wenn es im letzten Abschnitt unserer
Siebenfältigen Puja heißt „die Früchte meiner guten Taten auf den drei
Wegen“, also mit Körper, Rede und Geist.
Sehen
wir uns das an einem negativen Beispiel an. Wenn wir jemanden töten, so
ist es das Schlimmste, was wir jemanden antun können. Wenn wir gegen
jemanden eine Morddrohung aussprechen, so ist das auch ganz schlimm,
aber sicher noch nicht ganz so schlimm, wie ihn tatsächlich
umzubringen. Und wenn wir denken: „Oh dieser Idiot, den könnte ich
umbringen“, geht
das auch in diese Richtung, ist aber weniger schlimm, als eine
Morddrohung gegen ihn auszusprechen. Natürlich ist dieser Gedanke nicht
schön, er ist sogar gefährlich. Wenn wir in Gedanken erwägen jemanden
umzubringen, also nicht nur den aufblitzenden Gedanken haben, sondern
das wirklich durchspielen, verstärken wir diese Idee. Wenn wir dann
noch anfangen, ihm Morddrohungen zuzusenden, steigern wir uns (und ihn)
noch mehr darin hinein, und irgendwann ist es nur noch ein kleiner
Schritt, das Geplante tatsächlich in die Tat umzusetzen.
Daher gilt der Schluss, wie ich ihn schon öfter in geleiteten Meditationen verwendet habe:
Hüte Deine Gedanken, denn sie werden Deine Worte.
Hüte Deine Worte, denn sie werden Deine Taten.
Dieses
verhängnisvolle sich ins Böse hineinsteigern durch Hochschaukeln auf
den drei Wegen: Denken – Reden – Handeln, das können wir jedoch auch im
Positiven nutzen, wir können freundliche, liebevolle Gedanken haben,
auf diesen aufbauend, freundliche, liebevolle Worte benutzen und
schließlich Taten liebevoller Güte vollbringen. Das ist ein ganz
wichtiger Grund dafür, dass wir die metta bhavana üben, wir legen damit die Basis, den Grundstein, nicht nur auf dem Kissen mental metta auszustrahlen, sondern es ist gewissermaßen eine Trockenübung dafür, das auch in unserem Reden und Handeln umzusetzen.
Glücklicherweise
bringen nicht alle Menschen, die irgendwann einmal den Gedanken hegen
„den könnte ich umbringen“ das Objekt ihrer momentanen Wut wirklich um,
ansonsten wäre dieser Planet vermutlich eine ziemlich menschenfreie
Zone. Umgekehrt bedeutet das Üben von liebevoller Güte auf dem Kissen,
das Praktizieren der metta bhavana nicht zwangsläufig, dass unser Reden und Handeln von metta
durchdrungen ist. Manche Menschen trennen da sehr genau: auf dem Kissen
mache ich eine Wohlfühlübung, um mich selber gut zu fühlen, dann kann
ich hinterher im Leben wieder so sein wie sonst auch. Wer das macht,
der benutzt die Meditation lediglich als Wellnessquelle.
Meditation kann aber viel mehr, sie kann zu einer Transformation
unserer gesamten Person führen, zur Transformation des selbstsüchtigen,
gierigen, immer einmal hasserfüllten und verblendet durch die Welt
gehenden Ich zu einem liebevollen, großzügigen und die Dinge so, wie
sie wirklich sind, sehenden Wesen. Das nennt man den buddhistischen
spirituellen Pfad. Und genau daher wollen Buddhistinnen und Buddhisten
nicht bei der Übung der metta bhavana
auf dem Meditationskissen stehen bleiben, sondern nehmen sich vor, „mit
TATEN liebevoller Güte“ zu handeln. Damit heben wir die metta bhavana von der Ebene des Geistes auf die des Tuns.
Und
genau hier schließt der zweite Teil des Satzes an. „mit Taten
liebevoller Güte LÄUTERE ICH MEINEN KÖRPER“. Es geht also bei dieser
Läuterung nicht darum, eine Art body-styling oder body-modification
vorzunehmen, damit unser Körper noch schöner, noch attraktiver, noch
verführerischer wird, sondern darum, diesen Körper auf der Messlatte
der Ethik zu läutern. Nur zu oft haben wir unseren Körper zu unlauteren
Mittel eingesetzt, haben unsere Ellbogen benutzt, uns vorgedrängelt
haben uns in den Mittelpunkt zu stellen versucht, alles Begriffe, die
auf das Körperliche abzielen, auch wenn sie eine Grundeinstellung
vermitteln.
In
dem buddhistischen Vorsatz aber ist das Ziel sich körperlich zu
läutern, unseren Körper zu läutern, indem wir ihn zu einem Quell des
Guten machen. Das ist die eigentliche Bedeutung des Begriffes „läutere
ich meinen Körper“ in diesem Vorsatz.
Drei
der fünf Vorsätze enden übrigens mit „läutere ich meinen Körper“, denn
in den ersten drei Vorsätzen geht es um Taten, um körperliches Handeln.
Im vierten Vorsatz geht es um einen Sprachvorsatz, dementsprechend
endet dieser mit „läutere ich meine Rede“ und der fünfte schließlich,
in dem es um Handeln auf der geistigen Ebene geht, endet mit den Worten
„läutere ich meinen Geist“.
Wenn
ich eben gesagt habe, das sei die „eigentliche Bedeutung“ des Begriffes
„läutere ich meinen Körper“, so weist das darauf hin, dass es auch noch
eine andere, weniger wesentliche Bedeutung gibt. Unser Körper wird sich
tatsächlich – wenn auch sehr langsam und allmählich – verändern, wenn
wir Taten liebevoller Güte einüben.
Wenn
ich morgens um 6 Uhr mit der U-Bahn zur Arbeit gefahren bin, habe ich
Zeit gehabt, mir die Gesichter der Menschen anzusehen. Manche Menschen
wirkten entspannt, viele verständlicher Weise müde und erschreckend
viele hatten ein verbittertes Aussehen. Verbitterung tritt dann auf,
wenn unser Wünsche nicht erfüllt werden, wenn unsere Gier - nach was
auch immer - wieder und wieder enttäuscht wird. Ganz viele dieser
Menschen schienen in einem Kreislauf von Verlangen und Enttäuschung
gefangen zu sein. Und man sah es ihren Gesichtern an.
Das
kann ich gut an mir selbst beobachten. Vor über zwanzig Jahren, bevor
ich zum Buddhismus kam und als ich stattdessen noch Politik machte, ich
war hier im Kreistag und auch in der Regionalversammlung der
Fraktionsvorsitzende der größten Oppositionspartei, also gewissermaßen
der „Oppositionsführer“, hatte dieses dort eingeübte Denken, Reden und
Handeln auch körperliche Auswirkungen auf mich. Wann immer mein
Abteilungsleiter damals an mir vorbeiging sagte er: „Horst, guck nett
so bös´!“ Tatsächlich muss ich damals
ziemlich böse geguckt haben. Welch´ Wunder, wenn meine wichtigste
Beschäftigung darin bestand, mir das anzusehen was „die Anderen, die
Regierenden“ alles falsch machten und das mit heftigen Worten zu
kritisieren.
Seit
Mitte der neunziger Jahre hat das niemand mehr zu mir gesagt. Kein
Wunder, ich habe anderes Denken, Reden und Handeln eingeübt. Und
Handeln hat Folgen, es beeinflusst allmählich auch unser Aussehen.
Stellt euch nur einmal das Gesicht des Dalai Lama vor und dann das vom
SPD-Vizechef Stegner. Es ist unschwer zu erkennen, wer in größerem Maße
metta im Denken, Reden und
Handeln einübt. Das gilt natürlich nicht nur für buddhistische
Praktizierende, z. B. bei Pater Anselm Grün fällt das genauso auf.
Wenn
man liebevoller, großzügiger und weiser wird, dann spiegelt sich das
allmählich auch im Körper wieder. Der Dalai Lama hat einmal mit einem
Schmunzeln gesagt: „Wenn der Buddhismus nicht glücklich machen würde,
wäre er ja vollkommen nutzlos.“ Jetzt wissen wir, er macht nicht nur
glücklicher, er macht auch hübscher. (Naja, ich muss halt noch viel üben.)
Zu Meditation am Obermarkt
Zurück zu den Artikeln und Vorträgen
Zu den Audio-Vorträgen