Eine wahre Geschichte:
Liebe in Zeiten des Terrors
erzählt von Horst Gunkel bei Meditation am Obermarkt, Gelnhausen
Nein, auch wenn ich dich jetzt enttäuschen muss, das ist keine Romanze,
es geht keineswegs um eine romantische Liebesgeschichte. Es geht
vielmehr um eine Liebe zwischen zwei Brüdern. Und es ist auch keine
erfundene Geschichte, es handelt sich um eine reale Geschichte, um eine
Geschichte, die im Gegensatz zu vielen buddhistischen Geschichten nicht
in einer fernen, vergangenen Zeit spielt, sondern uns noch ganz nah
ist. Sie spielt im späten 20. und im frühen 21. Jahrhundert.
Aber es ist eine buddhistische Geschichte, auch wenn sie nicht in Asien
spielt, sondern in den USA. Im Mittelpunkt dieser Geschichte stehen
drei Personen. Da ist David, der jüngere der beiden Brüder, die
Hauptperson oder wenn man so will, der Held unserer Geschichte. Und
dann gibt es natürlich auch noch seinen älteren Bruder, der heißt Ted.
Beide sind Mitte des 20. Jahrhunderts geboren, also in meinem Alter.
Die dritte Hauptperson ist Linda, Davids Ehefrau, die genauso alt ist
wie ihr Mann. Doch beginnen wir am Anfang, in den 50er und 60er Jahren,
als die Brüder heranwuchsen.
David bewunderte seinen älteren Bruder Ted. Ted war alles das, was sein
kleiner Bruder auch sein wollte: er war smart, er war hochintelligent
und er war äußerst einfühlsam. Um klarzustellen, wie einfühlsam sein
Bruder schon als kleines Kind war, berichtet David, wie ihr Vater
irgendwann in den 50er Jahren, als sie in einem Vorort von Chicago
wohnten, ein kleines Kaninchen gefangen hatte. Der Vater hatte es in
einen kleinen Käfig gesperrt und eine Menge Straßenkinder waren
gekommen, um es sich zu betrachten. Sie lärmten und amüsierten sich
über dieses kleine Wesen in seinem Käfig. Dann kam Ted dazu, sah das
zitternde Häschen, brach in Tränen aus und jammerte: „Nein, nein, das
Arme, es hat doch furchtbare
Angst, lasst es sofort frei.“ Tatsächlich lachten die anderen Kinder
jetzt nicht mehr, sondern sahen verschämt zur Seite. Also gab der Vater
dem Tier wieder die Freiheit.
Dieser Vater war übrigens ein Hobbyjäger. Immer wieder flehte der
sensible Ted seinen Dad an, niemals mehr zu töten, das sei eine Sünde
wider Gott und gegen das Leben. Der Vater aber wunderte sich über
seinen weltfremden, total verweichlichten Sohn. Trotz dieses Hobbys des
Vaters war die Familie bestes amerikanisches Bildungsbürgertum. Schon
mit 16 Jahren hatte der hochintelligente Ted ein Stipendium für die
private Elite-Universität Harvard in Cambridge, Massachusetts, in der
Tasche. Später wurde aus dem begabten Überflieger ein
Mathematikprofessor in Berkeley, der renommierten University of
California. Für all das bewunderte und liebte ihn der jüngere Bruder
David. - Und Davids Bruderliebe wurde erwidert. So schickt Ted seinem
kleinen Bruder, da sind die beiden schon in den Dreißigern, ein Bild
aus Kindertagen mit der Aufschrift: „Du bist der einzige Mensch, den
ich jemals geliebt habe.“ Das ist einerseits eine ganz tolle
Liebeserklärung, andererseits liegt in dieser Aussage aber auch eine
ganz tiefe Tragik: „Du bist der einzige Mensch, den ich jemals geliebt habe.“
Ted war, wie wir gehört haben, hochintelligent und er war smart. Aber
auch schon als 17jähriger zeigte Ted gewisse schizophrene Züge, wie
später ein Gericht feststellte. Eigentlich wäre das ein Grund gewesen,
dem jungen Mann zu helfen, ihn in psychotherapeutische Behandlung zu
bringen und die Eltern zu informieren. Doch in Harvard lief damals
gerade ein Psycho-Experiment, vermutlich im Auftrage der CIA. In einem
Psycho-Assessment, dem sog. „Projekt MK Ultra“ sollte herausgefunden
werden, wie man Menschen brechen kann. Und den Leuten, die dieses
Projekt durchführten, kam einer wie Ted ganz recht.
Dieser junge Überflieger
wollte sich nicht brechen lassen. Er nahm diese Herausforderung an. Und
er machte trotz seiner ungezählten Weinkrämpfe weiter, er hatte die
inhumane Herausforderung des Machtapparates angenommen. Wie ihr sicher
schon vermutet habt, war das keine allzu gute Idee. Denn Ted wurde
gebrochen. 1973 - nach drei Jahren - stoppte die CIA, oder wer
auch immer dahintersteckte, das Programm. Alle Unterlagen wurden
vernichtet. Das Leiden von Ted und den anderen Probanden ist also nicht
offiziell überliefert. Nur in Teds Tagebüchern gab es darüber noch
Aufzeichnungen, davon wusste allerdings niemand außer ihm selbst etwas.
Diese handschriftlichen Tagebücher umfassen mehr als 30.000 Seiten, sie
sind heute im Besitz von David, der damit eines Tages seinem großen
Bruder helfen konnte, doch davon später, noch befinden wir uns in den
70er Jahren.
Während Teds Studium waren die beiden getrennt. Zu dieser Zeit liebte
der jüngere schüchterne, introvertierte David die Einsamkeit. Daher
hatte er sich in die Wüste zurückgezogen, um zu sich selbst zu finden,
um zu reflektieren und um zu meditieren. Wir können mit Fug und Recht
sagen, dass es sich dabei um ein wirkliches Retreat handelte. Aber
nicht wie die meisten dieser Retreats für einige Tage, oder wie ich es
hier im Meditationsraum am Obermarkt jeden Winter für drei Wochen
mache. Nein, Davids Rückzug dauerte volle acht Jahre lang.
Inzwischen nahm die Karriere Teds trotz der traumatischen Erlebnisse
während des „Projekt MK Ultra“ ihren Lauf. Er schlug die akademische
Laufbahn ein und wurde zum Professor für Mathematik. Doch er war nie
damit zufrieden und vor allem: er war nicht glücklich. Niemals.
Weit entfernt lagen die seligen Tage seiner Kindheit und seiner Jugend,
die goldenen Zeiten mit seinem Bruder David. Dieser jüngere Bruder,
David, hatte nach acht Jahren seine Wüstenklausur beendet und war in
ein bürgerliches Leben zurückgekehrt, er lernte Linda kennen,
eine interessante Frau, die
sein spirituelles Interesse teilte. Linda Patrik war
Philosophie-Professorin und die beiden heirateten. Nach außen wirken
sie sehr unterschiedlich, David ist groß und tapsig wie ein Bär, Linda
hingegen zierlich und von einer quirligen Lebendigkeit.
Ted aber, der seines Lebens nicht froh wird, und der als einzigen
Menschen, den er wirklich liebte, seinen Bruder David ansah, hatte
eigentlich das Bedürfnis sich wieder seinem Bruder anzunähern, dem
vermutlich einzigen Menschen, dem er seine Probleme anvertrauen konnte.
Doch der war jetzt verheiratet. So zog sich Ted einige Jahre später
traurig und frustriert Jahre in die Berge zurück, nach Montana. Er gab
seine Professur auf. Er lebte dort als Einsiedler in einem Blockhaus
ohne Wasserund ohne Stromanschluss.
Einmal besucht David seinen älteren Bruder dort, verbringt ein paar
Tage mit ihm in den Wäldern Montanas. Doch er spürte bald, dass Ted
sich ihm nicht mehr wirklich öffnete, vermutlich warf die Beziehung
Davids mit Linda einen dunklen Schatten auf die Bruderliebe, jedenfalls
schien Ted das so zu empfinden. Da war jetzt diese Frau. Ted konnte
keine Mitfreude für das Liebesglück seines Bruders empfinden, er war
vielmehr ziemlich eifersüchtig, dass er seinen geliebten Bruder an
diese fremde Professorin verloren hatte, eine Frau, die nicht wie er
den exakten Wissenschaften nachging, sondern die so etwas Abgedrehtes
wie Philosophie lehrte und sich außerdem für unamerikanisches,
asiatisches Zeugs interessierte.
Rückblickend stellte David später einmal fest: „Mein Bruder Ted empfand meine Hochzeit als Verrat.“ Ted
begann zunehmend Briefe zu schreiben, von Verblendung und von
Hass triefende Briefe, an alle möglichen Adressaten, sogar an seinen
Bruder David. Ted igelte sich immer mehr ein, er wollte mit niemandem
in dieser bösen, verkommenen Welt mehr etwas zu tun haben. Er kam nicht
einmal zur Beisetzung seines eigenen Vaters.
Wir erinnern uns, das war der mit der Jagdleidenschaft. Dieser Vater
hatte seinem Leben selbst ein Ende gesetzt, er hatte sich erschossen.
Man stelle sich nur einmal das Elend und die Verzweiflung der Mutter
vor: ein Ehemann, der sich dem Leben durch Suizid entzogen hatte und
ein Sohn, der aus den Bergen Montanas die Welt mit Hasstiraden per
Brief überzog. Ihr einziger Lichtblick war ihr Jüngster, David, der
zwar verheiratet, aber sehr zum Leidwesen der Mutter der beiden Brüder
kinderlos geblieben war. Und da war Linda, Davids Ehefrau. Sie war über
ihr Studium an indische Philosophie gekommen, hatte Hinduismus,
Jainismus und Buddhismus kennengelernt und war tief beeindruckt von der
Weisheit des Buddha und von dessen Realismus.
Besonders die buddhistische Ethik beeindruckte sie. So zitiert die
Zeitung „Daily Gazette“, eine in New York erscheinende unabhängige
Tageszeitung, Prof. Linda Patrik wie folgt:
To
Patrick, the appeal of Buddhism is simple: “It makes common sense,” she
said. Buddhist ethics, she said, are about altruism, about “training
your mind” through meditation “to become more compassionate and kind.”
(Für
Linda Patrik ist der buddhistische Ansatz ganz klar: „Er macht Sinn.“
Buddhistische Ethik, so erklärt sie, sei altruistisch, es ginge darum
„den Geist zu entwickeln“, und zwar mittels Meditation, um
„freundlicher und mitfühlender zu werden“.)
Aber das war für Linda Patrik nicht nur Theorie, nicht nur
wissenschaftliches Studienobjekt, sie war hier nicht die
nüchtern-distanzierte Professorin, sie praktizierte selbst, sie
meditierte, sie wollte ganz konzentriert sein, und sie wollte die Dinge
sehen, wie sie wirklich sind.
Bei ihren Reflexionen und Meditationen war Linda jedoch ein
schrecklicher Verdacht gekommen, zunächst vage, je mehr sie jedoch
reflektierte, desto wahrscheinlicher erschien er ihr. Und an ihrem
fünften Hochzeitstag, wagte sie es, David davon in Kenntnis
zu setzen. David und sie waren damals auf einer Art späten
Hochzeitsreise in Paris, als sie sich ihm anvertraute:
„Was meinst du, David, könnte dein Bruder Ted der UnaBomber sein?“
David reagiert zunächst heftig: „Unmöglich, wie kommst du auf so einen Unsinn?“
Aber das war nur seine erste, überraschte Reaktion. Er kannte
seine Frau inzwischen gut genug, dass er wusste, dass das kein vage
dahergeredeter Verdacht war, dass Linda so etwas erst nach reiflicher
Überlegung und tiefer Reflexion äußern würde. Und so holte Ted die
Korrespondenz mit seinem Bruder hervor, sobald sie wieder zu Hause
waren. Klar, Ted war verwirrt und er war ganz sicher auch wütend, aber
doch eigentlich ein sanftmütiger Mensch, sagte sich David. Aber wer
oder was ist eigentlich dieser Una-Bomber? - Der Una-Bomber war Ende
des vergangenen Jahrhunderts der meistgesuchte Terrorist der USA, auf
der Most-Wanted-List des FBI stand er auf Platz eins, noch vor dem
legendären Carlos und vor Osama bin Laden. Auf den Kopf des UnaBombers
war eine Prämie von einer Million Dollar ausgesetzt. Der Una-Bomber
verschickte Bomben an Universitäten und Airlines in den USA (daher die Abkürzung UnA-Bomber).
Niemand war ihm bislang auf die Schliche gekommen. Das FBI hatte
inzwischen über 100 Agenten auf das Phantom angesetzt – bislang
vergebens.
Doch Linda Patrik ließ nicht locker. Einige Zeit vorher, im September
1995 hatte die New York Times eine 28-seitige Hasstirade des
Una-Bombers abgedruckt, denn dieser hatte versprochen, mit dem Töten
aufzuhören, sobald dieses wirre Pamphlet veröffentlicht wurde. Was er
jedoch nach der Veröffentlichung nicht tat. Linda Patrik schildert, was
dann kam, so: “I used a lot of Buddhist ethical arguments to convince David to take seriously the possibility that Ted was the Unabomber.” (Ich
wandte eine Menge buddhistischer ethischer Argumente auf, um David
davon zu überzeugen, er müsse die Möglichkeit ernsthaft erwägen, dass
Ted der Una-Bomber ist.)
Linda nahm ihren Mann bei der Hand, und sie suchten Bibliotheken auf,
bis sie ein Exemplar dieser Ausgabe der New York Times auftrieben.
David las das ermüdend wirre Zeug, das dieser Terrorist in seinem
Pamphlet geschrieben hatte. Doch bei einem Wort stutzte er: „cool-headed logicans“,
das war eine äußerst ungewöhnliche Wortkonstruktion. Man würde
vielleicht von kaltherzigen Logikern, von kaltschnäuzigen Logikern oder
auch von kaltblütigen Logikern sprechen, aber doch nicht von
kaltköpfigen. David durchfuhr ein Schauder: diesen Ausdruck, diese
ungewöhnliche Wortkonstruktion, hatte er noch nie von jemandem anderem
gehört als von seinem Bruder.
Jetzt erst wurde David klar, dass Linda mit ihrem schrecklichen
Verdacht Recht haben könnte. Er wollte sofort nach Montana, um mit
seinem Bruder zu reden. Den Bruder an das FBI zu verraten, fand er
falsch, denn diesem drohte die Todesstrafe – und seine damals
80-jährige Mutter hätte das nicht überlebt: nicht nur der Ehemann von
eigener Hand erschossen, sondern auch der eine Sohn hingerichtet, weil
der andere ihn an die Polizei ausgeliefert hatte.
Andererseits standen auch so weitere Menschenleben auf dem Spiel. David
beriet sich daher mit einem Anwalt. Dieser stellte den Kontakt mit dem
FBI her. Die Bedingung seitens Davids und seines Anwaltes waren klar:
damit die Mutter der beiden Söhne nicht erfährt, wer den Tipp gegeben
hat, und auch um die Persönlichkeitsrechte von David und Linda zu
wahren, müsste der Tippgeber unbedingt anonym bleiben. Das FBI sicherte
zu, dass niemand jemals erfahren würde, von wem der entscheidende Tipp
kam.
April 1996. In den Breaking-News erfahren David und Linda, was passiert: Das FBI umstellt das Blockhaus, nimmt Ted Kaczynski
fest und findet in dem Haus eine weitere fertiggestellte Bombe. Und
auch diese Nachricht brachte der Fernsehsender: der Una-Bomber sei von
seinem eigenen Bruder verpfiffen worden, weil dieser sich die
Millionenbelohnung sichern wollte. Kaum war das über den Sender
gelaufen, klingelt das Telefon: die Presse. Das Haus wird umstellt von
Reportern, von Fernsehsendern. Es folgen Wochen im verdunkelten Haus,
Decken hängen vor den Fenstern, damit das TV das Ehepaar nicht in ihrem
Privatleben filmen kann.
David Kaczynski und Linda Patrick werden von Reportern im ganzen Land
gejagt, immer wieder gestellt, es war die Hölle. Aber David Kaczynski
treibt in dieser Zeit eine andere Aufgabe um. Er und Linda fragen sich:
Wie können wir die Wunden, die Ted gerissen hat, heilen. Wie können wir
dazu beitragen, dass diese kranke Gesellschaft transformiert wird. Der
Spiegel (36/1998) schrieb damals:
Die
Eheleute erhielten einen Scheck über eine Million Dollar für den Tip.
Von den Silberlingen will das Paar indes nichts wissen. Das Geld soll,
nach Abzug der Steuern, an die Familien der Opfer verteilt werden.
"Vielleicht hilft uns das", so der von seiner damals getroffenen
Entscheidung zum Bruder-Verrat noch immer schwer getroffene David
Kaczynski, "unseren Schmerz über das Geschehene zu lindern."
Und David traf Familien der Opfer, soweit das möglich war, denn viele
wollten mit dem Bruder des Mörders nichts zu tun haben. David verteilte
die Belohnung unter den Angehörigen der Opfer, um die entstandenen
Leiden zu mildern. David wird alsdann Sozialhelfer, er arbeitet mit
auffälligen Jugendlichen, er organisiert eine landesweite Kampagne
gegen die Todesstrafe. David formulierte seine Beweggründe dafür
gegenüber der Presse so:
“Our
culture, our society, our criminal justice system are just so
adversarial. In Buddhism, there’s an attempt to take a more holistic approach. ... I had a strong feeling that the antidote to violence would not involve more violence.” (Unsere
Kultur, unsere Gesellschaft, unsere Rechtsordnung sind viel zu
konfrontativ. Im Buddhismus hingegen gibt es das Streben nach einem
ganzheitlicheren Ansatz… Ich hatte das sichere Gefühl, dass das
Gegengift zu Gewalt nicht darin bestehen könne, die Gewalttäter mit
noch mehr Gewalt zu bekämpfen.)
David hat sogar inzwischen eine neue enge Männer-Freundschaft
geschlossen, ebenso eng wie in den Kindertagen die Freundschaft mit
seinem Bruder. Sein jetziger Blutsbruder ist eines der überlebenden
zufälligen Opfer von Teds Anschlägen, ein Mann in dessen Körper noch
immer über 200 Splitter einer Bombe des Una-Bombers stecken. Und David
schreibt auch regelmäßig an seinen einsitzenden Bruder – allerdings
ohne bislang jemals eine Antwort erhalten zu haben. Ted war nämlich
nicht hingerichtet worden, und das kam durch einen Deal mit dem
Gericht. Sein Verteidiger hatte angedroht, das „Projekt MK Ultra“
damals in Harvard zum Gegenstand des Prozesses zu machen, denn David
hatte die 30.000 Seiten des Tagebuches seines Bruders durchforstet.
Dies in die Öffentlichkeit zu bringen, schienen jedoch die
amerikanischen Behörden unbedingt vermeiden zu wollen.
Doch alles das, was David da tat: der Einsatz, das Leben seines Bruders
zu retten, die Sozialarbeit, die Kampagne gegen die Todesstrafe – all
das ist weltlicher Aktionismus. David versucht tiefer zu gehen. Er
liest die Lehrreden des Buddha. Inzwischen leiten David und Linda
zusammen ein buddhistisches Meditationszentrum. Achtsamkeitsmeditation
und Entfaltung liebender Güte, metta bhavana,
wird dort unterrichtet. Das Albany KTC-Center, das sie leiten, ist
eines von etwa vierzig, die zur „Karma Triyana Dharmachakra“-Tradition
gehören.
Wobei leiten nicht das richtige Wort ist. Sie lehren dort nicht, sie dienen. Sie dienen in ihrer Funktion als Organisatoren. Dazu ein letztes Zitat aus der Dailiy Gazette:
At
KTD, (David) Kaczynski and (Linda) Patrik are administrators, providing
support to the monastery’s teachers, facilitating events and activities
and ensuring that things run smoothly. (In diesem
Buddhistischen Zentrum sind David und Linda Verwaltungsangestellte, die
die Unterstützung der Lehrer des Klosters sicherstellen, die
Veranstaltungen organisieren und sich darum kümmern, dass alles in
angemessener Ruhe und Geschmeidigkeit abläuft.)
Ted wurde gebrochen, wurde zerstört, wurde zum Monster, nicht zuletzt
durch die inhumanen Aktivitäten einer staatlichen Organisation. Aber es
gibt nicht nur dieses Amerika von CIA, von Donald Trump und Ted Cruz.
Es gibt auch das Amerika so wunderbarer buddhistischer Lehrer wie Jon
Kabat-Zinn, Reginald Ray oder Joanna Macy. Und die USA ist das Land von
positiven, zupackenden Menschen wie David und Linda, die einfach das
tun, was zu tun ist, um die Idee von metta in die Welt zu tragen.
Quellen:
DER SPIEGEL 36/1998
http://www.theguardian.com/world/2009/sep/15/my-brother-the-unabomber
http://www.dailygazette.com/news/2013/may/26/0526
Süddeutsche Zeitung vom 27. 1. 2016
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