Inspirations- und Zufluchtsbaum – Teil I: Der Buddha von Horst Gunkel bei Meditation am Obermarkt (2012)
zuletzt bearbeitet Oktober 2019
...Von
heute an nun ein neues Thema: es geht um ein Bild, das hier neben der
Tür steht, es geht um den Zufluchtsbaum der Buddhistischen Gemeinschaft
Triratna.
Man
nennt das einen Baum, denn die Figuren sind auf verschiedenen Zweigen
bzw. Blüten einer Lotuspflanze angeordnet, ähnlich wie bei einem
Stammbaum. Viele buddhistische Organisationen haben einen solchen
spirituellen Stammbaum, aber er ist auch in anderen spirituellen
Traditionen bekannt. Einen sehr großen gut ausgearbeiteten christlichen
spirituellen Stammbaum findet man z. B. in Frankfurt im Städel.
Bei
Triratna nennen wir dieses Bild Inspirations- und Zufluchtsbaum.
„Inspirationsbaum“ nennen wir es, denn dort finden sich viele Figuren,
die uns wahrlich aufs Höchste inspirieren können; Personen, deren
Denken, Reden und Handeln auf wunderbare Weise für Menschen aller
Zeiten inspirierend war und es auch heute noch ist. Und „Zufluchtsbaum“
heißt es, weil Buddhisten ein Bekenntnis ablegen zu den sog. Drei
Juwelen, zum Buddha, dem Ideal, das uns anspornt, zum Dharma, dem Lehr-
und Übungssystem, das der Buddha gelehrt hat, und zum Sangha, zur
Gemeinschaft der diese Übungen aufrichtig Praktizierenden, und dieses
Bekenntnis nennt man im Buddhismus Zufluchtnahme. Die Buddhistische
Zuflucht ist keine Zuflucht zu einer Gruppe, einer Ideologie, einer
Philosophie, einer
Droge, sondern eben das Bekenntnis zu Buddha, Dharma und Sangha. Und je
stärker wir vom Handeln der auf diesem Baum dargestellten Gestalten
inspiriert werden, desto eher sind wir auch bereit, uns auf diese
Zufluchtnahme einzustellen, den Pfad zu gehen, der letztendlich zur
Erleuchtung führt.
Viele
der Gestalten auf diesem Inspirationsbaum sind historische Figuren,
manche sind auch mythologische Figuren, manche sind legendäre Figuren,
bei denen Mythen und historische Tatsachen einander überlagern. Es geht
hier also nicht um „historische Wahrheit“, sondern um das, was uns
inspirieren kann. Und um das zu verdeutlichen, will ich es an einzelnen
Figuren aus der uns vielleicht geläufigeren christlichen Tradition
erläutern. Eine zweifellos historische inspirierende Persönlichkeit des
20. Jahrhunderts war Mutter Theresa. Eine andere – wie die christliche
Theologie inzwischen herausgefunden hat - ahistorische mythologische
Figur ist Moses, dennoch kann sein Leben für Christen sehr inspirierend
sein, man denke nur an die phantastische Hollywood-Verfilmung „Die 10
Gebote“. Und die ganz zentrale Gestalt des Christentums ist natürlich
Jesus selbst, eine wohl in ihrem Kern historische Figur, die mit sehr
vielen mythologischen Elementen überlagert ist, sodass wir nicht
wissen, was hierbei wirklich historisch ist und was Mythos.
Inspirierend kann Jesus selbstverständlich trotzdem sein und Millionen
von Menschen lassen sich auch heute noch von ihm inspirieren, übrigens
nicht nur Christen.
Von
heute an also allwöchentlich einen Vortrag zu einer der Figuren auf
unserem Inspirationsbaum. Und für die ersten drei Wochen werde ich drei
sehr unterschiedliche Figuren herausgreifen, um die große Spannweite
des Themas deutlich zu machen, nämlich die älteste historische Figur
auf diesem Baum, die jüngste historische Person unseres
Inspirationsbaumes und eine mythologische Figur, die vielleicht älteste
mythologische Figur auf diesem Baum, viel älter als der Buddhismus.
Heute also zunächst die älteste historische Figur des Inspirations- und
Zufluchtsbaumes, und das ist natürlich der historische Buddha selbst.
Ich
werde aber heute nicht über den Prinzen Siddhartha Gautama von Shakya
reden, sondern vom Buddha. Und ein Buddha, ein Erwachter, war
diese Person erst vom Zeitpunktihrer ihrer Erleuchtung an, also
vermutlich etwa ab dem Jahr 525 v.u.Z. Ich erzähle heute also nichts
über die historischen Hintergründe, über den religiösphilosophischen
Background oder über die soziologischen und ökonomischen
Voraussetzungen dafür, dass Erleuchtung damals in Indien möglich war –
wen das interessiert, und ich meine es ist ungeheuer interessant – den
verweise ich auf unseren Kurs „Wer war der Buddha?“. Und ich erzähle
hier auch nichts über das, was Buddhaschaft ausmacht, über den
Unterschied zwischen einem Arahat, einem Pratyekabuddha, einem Siddha
und einem Bodhisattva und erst recht nichts über die Lehre der drei
Körper des Buddha, die in gewisser Weise vom Christentum in der
Dreieinigkeitslehre übernommen – oder wenn man so will pervertiert
- wurde, auch das gehört in den genannten Kurs.
Es
geht heute also nur um die historische Gestalt des erleuchteten Buddha,
der vom Moment seiner Erleuchtung bis zu seinem Parinibbana, zu seinem
Tod, noch 45 Jahre in Indien lebte und lehrte. Doch auch darüber könnte
man noch 100.000 abendfüllende Vorträge halten, aber es geht heute
eigentlich nur darum, was denn so inspirierend am Buddha war. Und das
Auffallendste ist wohl, dass jeder, der achtsam war und dem Buddha
begegnete, gebannt war von dessen Ausstrahlung einer absoluten
Vollkommenheit bei gleichzeitiger Bescheidenheit. Der Buddha
kommunizierte mit jedem seiner Worte, mit jeder seiner Gesten, mit
seinem Handeln, ja sogar mit seinem Schweigen das, was er war:
Vollkommenheit.
Aber diese Vollkommenheit war nichts, was irgendwie aus einer anderen
Welt wäre, was unerreichbar wäre. Die abrahamitischen Religionen z. B.
verehren Gott über alle Maßen, aber dieser Gott ist etwas
Unerreichbares, nichts das du selbst werden kannst. Würde ein Jude, ein
Christ oder ein Moslem sagen: ich will werden wie Gott, so wäre das
Blasphemie. Ja es ist für diese Religionen als absolute Vermessenheit
sogar die sog. Erbsünde der Menschen, die im Paradiese vom Baum der
Erkenntnis von Gut und Böse aßen, denn dadurch würde man – zumindest
nach Aussage der dort auftretenden satanischen Schlange – „wie Gott“.
Ganz anders das, was der Buddha, der Vollendete, kommunizierte, nämlich: „Was ich überwunden habe“, so lehrt der Buddha, „das könnt
auch ihr überwinden, was ich erreicht habe, das könnt auch ihr
erreichen!“ Und genau darin besteht die Lehre des Buddha: sie ist kein
Dogma, sie ist keine Philosophie, sie ist keine Theologie, sie ist kein
–ismus (auch kein Buddhismus, das Wort ist eine westliche Erfindung),
die Lehre des Buddha ist vielmehr eine Sammlung praktischer Übungen und
Methoden, wie man an seinem Geist arbeitet, um Buddha zu werden. Der
Buddha ist kein Gott und kein Prophet, er ist vielmehr der ältere
Bruder der noch nicht erleuchteten Wesen. Er selbst vergleicht sich mit
einem Küken, das als erstes in einem Gelege aus dem Ei geschlüpft ist,
und das seinen jüngeren Geschwistern, die noch von innen an die
Eierschale klopfen, von außen hilft, diese Eierschale abzustreifen.
Und
genau das ist auch etwas ganz Entscheidendes, was wir vom Buddha lernen
können: solidarische Hilfe füreinander, gerade auch der Stärkeren für
die Schwächeren. Ich profitiere von der Hilfe noch nicht erleuchteter,
aber auf dem Pfad weiter fortgeschrittener Menschen wie Sangharakshita,
wie Padmavajra, wie Dharmapriya, wie Dhammaloka. Ich profitiere auch
von Diskussionen und Gesprächen mit anderen Praktizierenden der
Triratna-Gemeinschaft. Ich profitiere auch von Büchern anderer
buddhistischer Traditionen. Und ich bemühe mich auch denjenigen, die
auf dem Pfad in der ein- oder anderen Hinsicht vielleicht noch etwas
weniger weit fortgeschritten sind als ich, solidarisch beim Vorankommen
zu helfen. Und als ich jetzt sechs Wochen nicht da war, hat eine aus
dieser Runde die Meditationsabende weitergeleitet und hat Leuten auch
etwas näher gebracht, was sehr viel mit dem Pfad zu tun hat, was ich
aber nie könnte, nämlich Unterricht in Yoga. Da hat sich Gabi von
dieser solidarischen Hilfe, die der Buddha bietet, inspirieren lassen.
Das ist die große Inspiration des Buddha. Danke Gabi!
Der
Buddha ist also deshalb so inspirierend, weil er Vollkommenheit ist,
sie lebt und sie weitergibt. Wie aber kommuniziert der Buddha den
Dharma? Das soll der letzte Aspekt meines heutigen Vortrages sein, und
ich will ihn nur in aller Kürze anreißen.
Der Buddha kommuniziert den Dharma
durch Erklärungen, so erläutert er z. B. im Satipatthana-Sutta, wie man die vier Grundlagen der Achtsamkeit entfaltet
durch
Gleichnisse und Symbole, so hat jeder, der hier von mir eine Einführung
in die Vergegenwärtigungen des Atems bekommen hat ein Gleichnis des
Buddha gehört, nämlich, dass wir den Atem beim Eintritt in den Körper
am Atempunkt - an der Nase - so sorgfältig beachten, wie ein erfahrener
Schreinermeister die Zähne seiner Säge, wenn sie sich ins Holz fressen.
der Buddha kommuniziert den
Dharma spontan und unerwartet durch sein Handeln, wer dafür Beispiele
haben möchte, den verweise ich auf die Geschichten über Kisagotami und
Angulimala auf unserer Webseite und
manchmal
kommuniziert der Buddha den Dharma auch einfach durch Schweigen. So
hielt er einmal, als alle Mönche von ihm eine Lehrrede erwarteten,
einfach eine Blume nach oben und sagte kein Wort. Über das Gesicht das
Kassapa ging daraufhin ein Lächeln – und der Buddha verkündete:
„Kassapa hat verstanden, Kassapa hat es wirklich begriffen.“ Nach
Buddhas Tod wurde Kassapa von den Mönchen als Leiter der buddhistischen
Sangha angesehen.
Ich
denke das langt für einen ersten Eindruck dessen, was am Buddha
so inspirierend ist. Natürlich kann dieses Thema in keinem Vortrag voll
ausgeschöpft werden. Aber wie gesagt, wer das Thema „Wer war dieser
Buddha wirklich?“ vertiefen will, der sei auf unsere Kurse verwiesen. Zu Meditation am Obermarkt