Die fünf Hindernisse
oder: Auf den Spuren von Buddhas bestem Meditationsjünger
Vortragsreihe „Meditation“, Teil III
von Horst Gunkel bei Meditation am Obermarkt, Gelnhausen
 zuletzt geändert am 8. Oktober 2019

 
Einst ließ sich der beste Meditationsmeister unter den Jünger des Buddha, einer seiner beiden Hauptjünger, abseits einer Ortschaft am Rande eines Mangohaines zur Meditation nieder. Zahlreiche andere Mönche taten es ihm gleich. 
 
Doch alsbald wurde die nachmittägliche Meditationsruhe der Mönche jäh gestört, denn der Krieg war ausgebrochen und der König zog mit seinen Truppen lärmend dem Schlachtfeld entgegen: vorneweg die königlichen Fanfarenbläser, die, wo immer sie Leute sahen, ihre Fanfaren erschallen ließen und vom bevorstehenden Sieg berichteten; alsdann die Fußtruppen, angeführt von Posaunenbläsern und Trommlern, danach die Kriegselefanten mit den hohen Offizieren und auch dem Raja, dem Herrscher selbst. Es folgte die Kavallerie, hoch zu Ross, zwischendrin immer wieder Paukenschläger, die den Marschrhythmus bestimmten. Die Fußtruppen ließen furcht- oder muteinflößende Kampfgesänge erschallen. Und am Ende des Trosses eine große Schar von Marketenderinnen mit ihren Kindern und von Huren, die alle auch auf ihre Weise vom Kriege profitieren wollten. Es war ein unglaubliches Lärmen, Schreien, Musizieren, sodass die Mönche ihre Meditation unterbrochen hatten und das seltsame Treiben betrachteten.

Nur einer hatte seine Meditation nicht unterbrochen, der ehrwürdige Mahamoggalana, der Meditationsmeister. Ungerührt saß er, ein seliges Lächeln auf den Lippen, in perfekter Meditationshaltung, noch eine weitere Stunde lang. Und dann, als er seine Meditation beendet hatte, seine Glieder vorsichtig bewegte und sich von seinem Khammantana, seinem Meditationssitz, seinem Arbeitsplatz, erhob, fragte ihn einer der anderen Mönche: „Sag Moggalana, wie schaffst du das, bei einem solchen Lärm ungerührt in Meditation zu verweilen?“ Dieser aber antwortete nur „Lärm? Was für ein Lärm?“

 
Schade, sicher hättet ihr gerne Mahamoggalanas Antwort auf die Frage „wie schaffst du das?“ gewusst und dann hinterher anzuwenden versucht. Das Dumme ist nur: solche Patentrezepte gibt es nicht. Stattdessen möchte ich euch mitnehmen auf eine kleine Zeitreise, noch einmal zwanzig Jahre vor dem eben geschilderten Ereignis. Beide Geschichten sind übrigens keineswegs ausgedacht, sondern im Pali-Kanon belegt. Damals, also zwanzig Jahre vor dem oben erwähnten Kriegszug, war der frisch ordinierte Moggalana - er hatte damals natürlich noch nicht seinen Beinamen „Maha- der Große“ - zusammen mit seinem Freund Sariputra kurz vorher beim Buddha aufgetaucht, und dieser hatte ihnen auch für Anfänger geeignete Meditationstechniken beigebracht. Es ist nicht überliefert, welche dies waren, möglicherweise die Vergegenwärtigungen des Atems und die metta bhvana. Und dann saß dort am Wegesrand im Schatten eines Mangobaumes dieser Moggalana, so wie auch ihr hier sitzt, und er mühte sich ab zu meditieren. 
 
Als er seinen Meditationsversuch beendet hatte und die Augen wieder öffnete, sah er, dass der Buddha ihn lächelnd beobachtet hatte. Und dann sagte der Buddha: „Moggalana, ich sehe dass du dich bemühst. Aber du warst gerade von fünf verschiedenen Meditationshindernissen geplagt und hast sie nicht effektiv bekämpfen können.“
 
Moggalana fühlte sich erwischt, er wusste dass seine Meditation gewiss nicht so war, wie sein sollte, aber dass es fünf Hindernisse waren, die ihn geplagt hatten und welche das im Einzelnen waren, war ihm nicht klar. „Mit fünf Hindernissen?“ fragte er unsicher nach.
 
„Ja,“ sagte der Buddha, „es waren genau fünf Hindernisse.

 
„Wunderbar, ausgezeichnet,“ schall es aus Moggalanas Mund, „wie Ihr, erhabener Buddha, all dies erkannt habt, genau so war es, das waren die fünf Hindernisse, mit denen ich geschlagen war, mir war es vorher nur nicht so genau bewusst. Ungeheuerlich, wie Ihr das mit scharfem Auge erkannt habt.“
 
Da lächelte der Buddha: „Es ist gar nicht schwer gewesen, das herauszufinden, Moggalana, schließlich geht es nicht nur dir so, das geht jedem so, der sich anschickt eine Meditationspraxis aufzubauen, er muss nur genau hinsehen, dann findet er diese fünf Hindernisse auch bei sich. Auch ich hatte früher mit diesen zu kämpfen. Aber Moggalana, sei dir sicher: auch der Buddha war ein Mensch, so wie du ein Mensch bist, was der Buddha überwunden hat, das kannst auch du überwinden, was der Buddha erreicht hat, das kannst auch du erreichen.“
 
Artig bedankte sich Moggalana für diese Ermutigung und fragte dann, was er tun könne, um diese Hindernisse zu bekämpfen. 
 
Der Erhabene aber antwortete: „Moggalana, das erst einmal Wichtigste, das Grundlegende ist, die Hindernisse zu erkennen, zu identifizieren. Es ist wie bei jedem Kampf, den man erfolgreich bestehen möchte. Diese Hindernisse sind deine Feinde. Aber du kannst deine Feinde nur bekämpfen, wenn du sie identifiziert hast, wenn du weißt, wann der Feind da ist und von welcher Natur der Feind ist. Daher ist deine erste Übung: identifiziere deine Feinde, erkenne, wenn sie da sind und benenne sie bei ihrem Namen. Es ist wie bei Dämonen: hast du sie erst beim Namen benannt, verlieren sie die Macht über dich. Daher Moggalana, deine erste Übung ist, wann immer ein Hindernis auftaucht, erkenne es, benenne es. Mitunter sind diese Hindernisse groß und mächtig, mitunter schleichen sich diese Feinde aber auch still und heimlich auf leisen Sohlen an. Sei auf der Hut und identifiziere sie! Und wenn du sie identifiziert hast, dann beschäftige dich nicht weiter mit diesem Feind, sondern achte darauf, welcher Feind als nächstes auftaucht. Mitunter gibt es auch Ereignisse, die eine Mischung aus verschiedenen dieser Feindelemente sind. Identifiziere auch diese. Denke aber nicht zu lang über die Hindernisse nach. Identifiziere sie möglichst rasch und sei bereit, den nächsten anstürmenden Feind zu identifizieren. Damit wirst du eine Woche zu tun haben. Komm dann wieder und ich werde dir lehren, wie man einen Feind, den man identifiziert hat, bekämpft. Dann lehre ich dir, wie du ein Feindzerstörer werden kannst.“
 
Eigentlich hat der Buddha damit das Wesentliche gesagt und ich muss mich ihm nur anschleißen. Übt eine Woche lang täglich unsere Meditationspraxis und seid wachsam, um alle Feinde, alle Hindernisse zu identifizieren und zu benennen. Manche Feinde verschwinden bereits, wenn man nur ihren Namen nennt, das nenne ich den Rumpelstilzchen-Effekt. Bei allen anderen ist eine Spezialbehandlung nötig. Dazu in einem weiteren Vortrag nächste Woche mehr. Und in den folgenden Wochen. Es gibt insgesamt fünf Gruppen von Feindvernichtungstechniken. Wir werden sie im Laufe dieser Vortragsreihe alle kennen lernen. Ihr habt Gelegenheit sie alle einzuüben, und wir werden es uns nicht nehmen lassen im anschließenden Gedankenaustausch unsere Kampferfahrungen auszutauschen.
 
Hier noch einmal die fünf Hindernisse, die fünf Feinde der Meditation:

o sinnliches Verlangen, dazu gehören die groben Arten des Verlangens, wie sexuelle Phantasien oder die Überlegung, ob man hinterher noch ins Vinum am Untermarkt geht und welchen Wein man dort verkosten möchte, dazu gehören aber auch subtile Arten des Verlangens, wie das Greifen nach Sinneseindrücken, vor allem akustischer und taktiler Art, aber auch das Auftauchen meditationsobjektferner Gedanken

o Abneigung, dazu gehört alles, was uns ärgerlich, wütend oder zornig macht, alles, wovon wir wollen, dass es aufhört, dass es weg ist - angefangen von unserer Abneigung gegenüber Schmerzen in den Beinen bis hin zu Gedanken an Personen oder Situation, die wir nicht mögen

o Unruhe und Besorgtheit haben teilweise einen fließenden Übergang hierzu. Alle Gründe für Unruhe und Besorgtheit liegen in der Vergangenheit oder in der Zukunft, haben mit unserer Meditation also überhaupt nichts zu tun, gehören da einfach nicht hinein

o Mattigkeit und Schläfrigkeit sind übliche Begleiterscheinungen der Meditation, wenn der Reiz des Neuen vorbei ist und sich der erwünschte Effekt der Geistesruhe einstellt. Aufgrund unserer Konditionierung kennen wir dieses Gefühl der Geistesruhe von der Phase kurz vor dem Einschlafen und unser Körper erinnert sich an die unbewussten Muster, denen dann zu folgen ist.

o Skeptischer Zweifel ist eigentlich Unschlüssigkeit: wir wollen uns nicht wirklich auf etwas Neues einlassen. Berechtigte Kritik ist etwas anderes, hier überprüfen wir etwas wertfrei auf seine Eignung. Der skeptische Zweifel ist der nahe Feind dieses kritischen Hinterfragens. Er tarnt sich als Kritik, aber dieser Skeptizismus sucht nach
Ausreden, sich nicht wirklich auf etwas einzulassen, was zu Änderungen führt. Er ist also ein Feind der spirituellen Entwicklung.
 
Schließlich noch ein Beispiel für feindliche Allianzen: ich bemerke einen leichten Druck am Knie, ich lenke meine Aufmerksamkeit dorthin (Verlangen nach einem Sinneseindruck), ich identifiziere diesen Druck als unangenehm (Abneigung). Ich erinnere mich an eine Meniskusoperation vor 15 Jahren und fürchte, dass das Sitzen in Meditation meinem Meniskus wieder schaden wird (Besorgtheit), sicher ist die ganze Meditationssitzerei auch eher etwas für Asiaten, als Europäer wäre Erleuchtung auf ganz andere Art zu erreichen, philosophischer, vielleicht sollte ich einen entsprechenden Volkshochschulkurs besuchen (skeptischer Zweifel). Habt ihr gemerkt: Auslöser war in diesem Beispiel nur eine leichte Druckempfindung am Bein und was ist passiert: vier Feinde sind aufgetreten, habe eine feindliche Allianz gebildet.
 
Und dazu zitiere ich abwechslungsweise einmal nicht den Buddha, sondern einen anderen mit Feindbekämpfungstechniken erfahrenen Mann, ich meine es war Clausewitz, der gesagt hat: das Idiotischste was ein Feldherr machen kann, ist die Bedingungen zu schaffen, dass sich die Feinde in einer Allianz zusammenfinden. Und genau das ist im letzten Beispiel gemacht worden.
 
Okay, Eure Hausaufgaben habt ihr: täglich meditieren, dabei Feinde identifizieren und benennen und sofort wieder wachsam auf den nächsten Feind warten.
 
Und dann natürlich wieder hierher kommen, um Feindzerstörungstechniken kennen zu lernen.

Zu Meditation am Obermarkt

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