Der  Mönch und die Schöne
erzählt von Horst Gunkel
(c) Copyright by Horst Gunkel - letzte Änderungen 2015-02-03

Die Mönche des Buddha lebten im Zölibat. Da jedoch die sexuellen Versuchungen zur Zeit des Buddha ebenso existierten wie heute und nicht alle Mönche die Willensstärke eines Heiligen hatten, warnte der Buddha die Mönche vor Kontakten mit Frauen. Insbesondere war es den Mönchen verboten, Frauen zu berühren, aber auch Gespräche mit Frauen sollten vermieden werden. So wanderten auch die Gemeinschaften der Mönche und der Nonnen getrennt voneinander.

Selbstverständlich gab es hin und wieder Situationen, bei denen Mönche auf Frauen trafen, und hier hieß es auf der Hut zu sein. Dies illustriert die folgende Geschichte. Sie zeigt auch auf, dass man zwischen der buchstäblichen Regel und dem dahinter stehenden Sinn unterscheiden muss.



Es begab sich, dass zwei Mönche, ein großer kräftiger und ein etwas untersetzter, gemeinsam auf der Wanderung waren, als Gepäck hatten sie nur ihre Almosenschalen dabei. Sie kamen an einen kleinen Fluss, wo der Weg durch eine Furt führte. Normalerweise war das Wasser um diese Jahreszeit an der Furt nur wenige Zentimeter tief, und man konnte trockenen Fußes über den Fluss kommen, wenn man nur auf die etwas größeren Steine trat. Doch da es in den Bergen heftige Gewitter gehabt hatte, stand das Wasser heute kniehoch.

Am Ufer stand eine auffallend schöne Frau aus feinem Hause, die in ebenso prächtige wie empfindliche Kleider gehüllt war. Sie jammert : "Was mach´ ich bloß, was mach´ ich bloß? Wenn ich durch das Wasser gehe sind meine besten Kleider ruiniert. Ausziehen kann ich sie auch nicht, wo doch jederzeit jemand vorbei kommen kann, und es kann Tage dauern bis das Wasser wieder niedrig ist. Was mach ich bloß, was mach ich bloß?"

Der untersetzte Mönch war vor Schreck wie angewurzelt stehengeblieben - eine so schöne Frau hatte er seit mindestens einem Jahr nicht gesehen. Ihre Kleidung war nicht nur prächtig, sondern betonte auch ihre körperlichen Vorzüge. Er konnte sehen, wie ihre prallen Brüste den Stoff spannten und ihr Brustansatz mit ihrem Atem im Ausschnitt auf- und niederstieg. Er hörte diese ungeheuer feminine Stimme, als sie ihre Möglichkeiten durchspielte, und als sie dabei das Wort "ausziehen" aussprach, hielt er sich dir Ohren zu, das durfte einfach nicht sein: optischer Kontakt, akustischer Kontakt und dann noch der Gedanke, sie könnte sich am Ende gar ausziehen, das konnte, das durfte er nicht hören, er, der Mönch.

"Soll ich euch herübertragen?" fragte da sein groß gewachsener Kollege. Fröhlich nickte die Schöne. Der untersetzte Mönch hörte natürlich dieses Angebot des anderen nicht, denn er hielt sich noch immer beide Ohren zu. Was jetzt kam, ließ ihm allerdings die Augäpfel aus den Höhlen hervortreten, denn es war das absolut Ungeheuerlichste, was sich überhaupt nur denken ließ. Der großgewachsene Mönch trat an dieses Inbild weiblicher Versuchung heran, sie legte ihm einen Arm um den Hals, er umfasste ihre Hüfte mit der einen Hand und ihre Beine - ihre Beine! - mit der anderen, hob sie hoch und trug sie geradewegs über die Furt. Der untersetzte Mönch stand sprachlos mit offenem Mund da, die Hände immer noch in den Ohren, als ihm sein Freund zuwinkte, er solle nachkommen, derweil die Frau vergnügt weiterging. Sichtlich verstört begann der kleine Mönch durchs Wasser zu steigen. Er kam am anderen Ufer an, und beide setzten ihren Weg fort, schweigend. Nur der untersetzte Mönch schüttelte von Zeit zu Zeit den Kopf und gab Geräusche der Abscheu von sich, während der größere die Zeit zum achtsamen Gehen nützte.

Drei Stunden waren sie gegangen, da platzte es endlich aus dem kleineren der Beiden heraus: "Wie konntest du nur! Wie konntst du das nur tun! Ich habe es genau gesehen: Sie hat dich angelächelt und du, du hast zurückgelächelt! Sie hat den Arm um dich gelegt und du hast es geduldet! Und dann hast du sie angehoben! Ich habe es ganz genau gesehen! Dein rechter Arm hat ihre Oberschenkel umfasst, als du sie trugst. Ihre OBERSCHENKEL!  Und mit dem linken hieltest du ihren Oberkörper umschlungen, deine Hand lag nur wenige Zentimeter von ihrem Busen entfernt. Und - leugne es nicht, ich habe alles genau gesehen - als du über den großen Stein stiegst hat sich ihr Oberkörper so bewegt, dass dein Zeigefinger für eine Sekunde ihren unteren Brustansatz berührte! Du - ein Mönch! Wie konntest du nur!"

"Ach", sagte der Andere, "das ist aber merkwürdig. Ich habe sie am anderen Ufer gleich wieder abgesetzt. Trägst du sie etwa immer noch mit dir herum?"



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Das Blatt (ficus religiosa) im Hintergrund dieser Seite stammt vom Bodhi-Baum aus Anuraddhapura in Sri Lanka. Dieser ist ein direkter Abkömmling des Baumes, unter dem der Buddha seine Erleuchtung hatte.