samma kammanta – Rechtes Handeln letzte Änderungen: 2015-11-19
Samma kammanta bedeutet Rechtes Handeln.Irgendwann, aber erst dann, wenn wir es zur Vollkommenheit eingeübt haben, wird daraus Vollkommenes Handeln. Bis dahin haben wir noch einen weiten Weg.
In unserer Puja, unserer Ritualfeier wird von "unseren guten Taten auf den drei Wegen" gesprochen. Damit ist das Tun mit Körper, Rede und Geist gemeint.
Nach buddhistischer Auffassung ist es nötig, an allen diesen drei Bereichen zu arbeiten, denn was wir in Gedanken tun, beeinflusst unser Reden und Handeln. Was wir nicht nur denken, sondern wovon wir auch reden, beeinflusst unser praktisches Handeln noch stärker. Geläutertes Handel setzt also ein geläutertes Denken und ein geläutertes Reden voraus.
Dementsprechend haben wir uns bei den ersten beiden Pfadgliedern des Edlen Achtfältigen Pfades mit der Läuterung unseres Denkens befasst. Um den Weg der Läuterung erfolgreich gehen zu können, müssen wir zunächst eine Vision davon haben, was möglich ist und wie wir dahin kommen können. Daher heißt der erste Pfeiler, die erste Speiche in diesem achtspeichigen Rad der buddhistischen Lehre, "Rechte Schauung": samma ditthi.
Damit wir alsdann von dieser Vision, was möglich ist, welchen Pfad wir beschreiten können, dazu kommen, diesen Pfad auch wirklich zu gehen, ist es nötig, sich eben dazu zu entschließen. Aus diesem Grund heißt die zweite Speiche des dhamma cakras, des Rades der Lehre, samma sankappa: Rechte Entschlossenheit. Rechte Entschlossenheit bedeutet aber eben nicht nur, dass sich unser Hirn rational für etwas entscheidet, sondern dass wir auch unsere Emotionen auf dieses Ziel ausrichten. Denn nur wenn Intellekt und Emotionen an einem Strang ziehen, ist Erfolg möglich, andernfalls verlieren wir alsbald das Ziel aus den Augen und stellen unsere Bemühungen ein.
Aus dem Wunsch, richtig zu handeln mit Körper, Rede und Geist haben wir uns also zunächst mit dem Handeln im Geist befasst. Anschließend ging es dann um das dritte Pfadglied, die Rechte Rede. Hierzu hat Bärbel einen Vortrag über gewaltfreie Kommunikation gehalten und ich habe in der letzten Woche auf die vier Dimensionen der Rechten Rede hingewiesen, nämlich dass sie
(1) wahrheitsgemäß,
sein soll. Das war schon ganz schön anspruchsvoll. Daher ist es ganz wichtig zu sehen, dass jedes dieser Pfadglieder ein weites Übungsfeld ist, auf dem wir uns üben können, ein Übungsfeld, das man nicht eben einmal auf die schnelle erledigt. Nachhaltiges Handeln ist stetiges, immer subtileres Einüben wirksamer Übungen. Dabei sollten wir uns zunächst bemühen, die gröbsten Fehler zu vermeiden, bevor wir uns Stück für Stück weiter wagen und uns immer diffizilere Übungen zumuten können.
(2) freundlich,
(3) nützlich und
4) harmonieförderndNach dem Handeln im Geist und mit der Rede, also mit Worten und nonverbaler Kommunikation, kommen wir mit dem heutigen Thema auf tatsächliches Handeln durch körperliche Aktionen, wir kommen zu samma kammanta. Samma kann, wie wir schon gesehen haben, sowohl "richtig" als auch "vollkommen" heißen, je nachdem wie stark wir bereits an unserem Handeln gearbeitet haben. Das Paliwort kammanta kann Handeln, Tun oder Wirken heißen.
Der Buddha empfiehlt uns hierbei in drei Teilbereichen zu handeln, mit denen er selbst bei sich und anderen gute Ergebnisse erkennen konnte, da sind
1. Gewaltfreiheit. Es geht dabei darum, kein Wesen zu töten oder mehr als unvermeidbar zu schädigen. Wenn wir hier mitunter vor der Meditation gemeinsam die ethischen Vorsätze rezitieren, so formulieren wir das positiv und sagen nicht, was wir vermeiden wollen, sondern wie wir statt dessen handeln wollen: "Ich läutere mich durch Taten liebevoller Güte."Alle drei Bereiche sind breite Übungsfelder. Auch hier ist es so, dass die Regeln vom recht eindeutigen in immer diffizilere Feinheiten gehen, je länger und erfolgreicher wir Ethik üben. Und von diesen drei Bereichen des Handelns möchte ich mir heute nur die erste und vermeintlich einfachste dieser drei Ebenen herausnehmen, die Gewaltfreiheit. Und weiterhin möchte ich auch nur das allereindeutigste herausnehmen, die Empfehlung nicht zu töten und nicht andere zu veranlassen, für uns zu töten. Alles andere ist auch wichtig, aber ich möchte mich dennoch im Rahmen dieses Vortrags auf dieses vergleichsweise einfache Thema von Gewaltfreiheit beschränken.
2. geht es darum, nicht nur Leben und Unversehrtheit der anderen zu respektieren, sondern auch deren Besitz, also nichts zu nehmen, was uns nicht freiwillig gegeben wurde. Auch hier formulieren wir den ethischen Vorsatz positiv: Ich läutere mich durch großzügiges Geben.3. Und drittens spricht der Buddha bei dem ethisches Fehlverhalten auch den Bereich der Sexualität an, hier ist es wichtig, nicht durch körperliche oder psychische Nötigung Druck auszuüben. Auch dies formulieren wir positiv, indem wir geloben: Durch Stille, Schlichtheit und Genügsamkeit läutere ich meinen Körper.
Wenn es eine unumstrittene menschliche Norm gibt, dann ist es das sittliche Gebot nicht zu töten. Ich möchte hier jetzt keine Forderungen aufstellen, sondern vor allem mit Fragen versuchen, unser Denken, unser Reflektieren anzuregen.
Bislang habe ich nur über das Töten von Menschen geredet. Was ist mit dem Töten von Tieren? Mit dem Leiden von Tieren in der tierquälerischen Massentierhaltung?
- Gilt dies immer und unter allen Umständen? Was ist mit der Todesstrafe für Kindermörder? Was mit dem finalen Todesschuss?
- Was ist im Krieg? Was in der Auseinandersetzung mit einer Organisation wie dem sog. Islamischen Staat? Hier rufen auch vermeintlich liberale Politiker zur Tötung auf. Obama setzt Drohnen ein, Frankreich bombardiert in Syrien. Viele Politiker sprechen von Krieg. Bedeutet nicht das Gebot der Gewaltfreiheit vielmehr, dass wir im Vorfeld alles tun müssen, damit orientierungslose junge Menschen nicht in ihrer Ratlosigkeit Zuflucht bei den Ideen von Gewaltpredigern suchen?
- Wie stehst du zur Abtreibung?
- Welche Auswirkungen hat unsere Produktionsweise? Zum Beispiel die Kohleverbrennung: laut WHO verkürzt ein Aufenthalt von 24 Stunden in der Region Beijing das Leben rechnerisch um 8 Stunden, jede Stunde Aufenthalt verkürzt hier das Leben also um 20 Minuten. Oder denken wir einmal daran, dass unsere Kleidung in Bangla Desh von Frauen im 14-Stunden-Tag in baufälligen Fabriken zu einem Stundenlohn von 8 Cent produziert wird, dass unsere Computer in China entsorgt werden, was dort zu Zehntausenden von Toten führt und, und, und...
Bevor ich Ende des vergangenen Jahrhunderts Mitra der Buddhistischen Gemeinschaft Triratna wurde, hat man mir drei Fragen gestellt - und ich finde dies waren durchaus wesentliche Fragen:
- Hast du eine tägliche Meditationspraxis?
- Wie stehst du zur Abtreibung?
- Bist du Vegetarier?
Letzteres ist auch und gerade eine beliebte Streitfrage unter Buddhisten. Es wird gesagt, der Buddha sei kein Vegetarier gewesen, da er sich von Almosen ernährt hat. Er ging von Haus zu Haus und man legte ihm etwas in seine Schale, etwas, das gerade im Haus gekocht wurde. Einige dieser Gerichte enthielten Fleisch.Aber der Buddha hat auch die Regel für die Mönche und Nonnen (also auch für sich selbst!) aufgestellt, dass man kein Fleisch nehmen darf, wenn man den Eindruck hat, das Tier würde geschlachtet, um dem Mönch ein Mahl zu bereiten. Mit anderen Worten: wenn kein Tier zusätzlich zu Schaden kam, wenn eine Hausfrau dem Buddha etwas in die Schale legte, ohne dass dadurch ein zusätzliches Leid verursacht wurde, dann wäre es falsch, diese Gabe zurückzuweisen, denn die Menschen würden es ja aus Mitgefühl mit dem Mönch geben. Und die Übung von Großzügigkeit und Mitgefühl ist positiv.
Unsere Situation heute ist eine andere. In der entwickelten Marktwirtschaft wird das produziert, was nachgefragt wird. Also schaffen wir durch unsere Nachfrage das System der tierquälerischen Massentierhaltung - übrigens auch dann, wenn wir Biofleisch essen. Einen besonders perversen Einfallsreichtum verblendeter Buddhisten habe ich in Ladakkh kennen gelernt. Dort ist fast die gesamt Bevölkerung buddhistisch. Es gibt aber einige Moslems, diese arbeiten als Metzger, die angeblichen Buddhisten kaufen denen das Fleisch ab und sind der festen Überzeugung, das sei in Ordnung, aber die moslemischen Schlachter würden sich schlechtes Karma machen. Das ist hochgradige Verblendung.
Doch da wir gerade die tierquälerische Massentierhaltung angesprochen haben. Was ist mit Eiern? Was mit Milch? Auch hier ein besonders erschreckendes Beispiel, was mir ein verblendeter Buddhist sagte. Als ich kein Frühstücksei wollte, sagte er, er würde nur Eier aus Käfighaltung essen. Da würde er kein ungeborenes Küken töten, denn diese Eier seien unbefruchtet, also käme es nicht zu so etwas wie einer Abtreibung, zur Vernichtung ungeborenen Lebens. Auch so kann man durch Verblendung die Folgen eigenen Handelns verdrängen.
Wir sollten uns klar sein, wo die Eier herkommen, die wir essen; wie sie erzeugt werden, in welchem Maße dafür Hühner gequält werden. Und das gilt nicht nur für Eier, denen man ansieht, dass sie Eier sind, das gilt ebenso für alle eierhaltigen Produkte. Ich weiß, dass es unbequem ist, das Kleingedruckte auf den Packungen zu lesen. Aber es behauptet auch niemand das Gute zu leben, würde das Leben sofort einfacher machen. Aber es macht das Leben lebenswerter - und zwar für alle Wessen.
Niemals gab es so viele Milchprodukte wie heute. Kuhmilch bedeutet, dass Kühe in unnatürlicher Weise auf Milchproduktion hin gezüchtet werden. Heute gibt eine Milchkuh mehr als dreimal so viel Milch wie vor einhundert Jahren. Lag der Ertrag einer Kuh vor hundert Jahren bei durchschnittlich fünf Liter pro Tag, muss das arme Tier jetzt 20 Liter produzieren, die schweren Euter führen zu Schmerzen. Aber noch viel größer ist der Schmerz für Mutter und Kalb, wenn das Jungtier sofort nach der Geburt, der Milchkuh weggenommen wird, damit ihre Milch vermarktet werden kann, während das Kalb nach einer mutterlosen kurzen Mastperiode zu Döner wird.
Unbedarfte KonsumentInnen kaufen besonders gern Produkte, Reinigungsmittel und Kosmetika mit der Aufschrift "neu". Jedes neue Produkt muss zunächst in Tierversuchen getestet werden: bei welcher Konzentration im Auge des Kaninchens verursacht das neue Produkt Verätzungen? Die Aufschrift "neu" auf Produkten, sollten wir daher als Warnzeichen für besonders unethische Produktion begreifen.
Und zum Schluss noch etwas, auch auf die Gefahr hin, es mir mit zahlreichen vermeintlichen Tierfreunden zu verderben. Da ist jemand ganz tierlieb, lebt als Vegetarier, vielleicht sogar als Veganer. Und beweist seine Tierliebe dadurch, dass er einen Hund oder eine Katze hält, für die er oder sie gut sorgt.
Und für die Ernährung dieses einen Tieres während dessen Leben müssen vielleicht fünf oder sechs ähnlich liebebedürftige Tiere in der Massentierhaltung ihr Leben lassen, damit ich mir meine Tierliebe für dieses eine Tier beweisen kann. Oder vielleicht auch nur damit ich einen Partner zum Schmusen haben, der dankbar ist und mir nicht widerspricht - und dessen Ernährung verdränge ich mal lieber - und züchte so meine eigene Verblendung.
Um es abschließend ganz klar zu machen. Wenn du dich in dem ein oder anderen Punkt wiedererkannt hast, wenn du dir einiger suboptimaler Verhaltensweisen bewusster geworden bist, dann wäre es falsch zu sagen: oh, ich schaffe es sowieso nicht, ich lasse es lieber ganz. Nein! Selbst einmal in der Woche bewusst auf Fleisch zu verzichten ist schon ein Schritt in die richtige Richtung. Niemand erwartet von dir, dass du von gleich auf sofort samma kammanta als Vollendetes Handeln praktizierst. Aber es wäre ganz gut, über die Implikationen deines Handelns nachzudenken und allmählich, schrittweise, in die richtige Richtung zu gehen.
Die spirituelle Evolution, denn nichts anderes ist Buddhismus, ist eine Evolution, ein Prozess der langsam, aber nachhaltig vor sich geht. Ich habe heute einige Übungsfelder kurz angerissen. Evolution ist ein großartiges Abenteuer. Und das Schöne an der spirituellen Evolution, an der Entwicklung vom Menschen zur Buddha oder auch zum Buddha ist, dass dies keine Evolution nach der Methode von Zufall oder von trial and error ist, sondern dass ich an mir selbst arbeiten kann.
Ich, Horst Gunkel, bin seit einem viertel Jahrhundert bewusst Buddhist. In dieser Zeit habe ich, davon bin ich überzeugt, schon ganz schön erfolgreich an meiner spirituellen Evolution gearbeitet. Aber ich bin noch ganz, ganz weit von dem Punkt entfernt, den man als Vollkommenes Handeln bezeichnen kann. Der Prozess meiner spirituellen Entwicklung geht weiter, ich bemühe ich, ihn zu steuern - und zwar mit einer Geschwindigkeit, die ich beherrschen kann, die mich nicht in Aktionismus, aber auch nicht in Frustration und ebenso wenig in Verblendung fallen lässt.
Und so schließe ich heute mit dem Public Relations Spruch eines amerikanischen Ölkonzernes:
Es gibt viel zu tun. Packen wir es an!
Aber als Buddhist füge ich vorsichtshalber noch ein buddhistisches Sprichwort aus Japan hinzu:
Oh Schnecke, erklimme den Fujiyama, langsam, ganz langsam, aber letztendlich erfolgreich!
Und daher beende ich meinen Vortrag, mit den letzten Worten, die der sterbende Buddha seinen versammelten Mönchen und Nonnen mit auf den Weg gab:
"Übet und strebet weiter - mit Achtsamkeit."
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