Der Yakscha von Alavi
erzählt von Saddhaloka, deutsch von Horst Gunkel
(c) Copyright by Saddhaloka and Horst Gunkel - letzte Änderungen 2004-01-28


Der König von Alavi, eines der kleinen Reiche in Nordindien, ging regelmäßig in Begleitung seiner Soldaten zur Jagd, um in Übung zu bleiben. Eines Tages entwischte das Tier, das sie jagten, knapp am König vorbei, der auf der Lauer nach ihm lag. Nun war es die Gepflogenheit, dass der König es verfolgen musste, um es zur Strecke zu bringen. Nach einer längeren Verfolgung, die ihn tief in den Wald hineinführte, stellte und tötete er es schließlich.

Er befand sich ziemlich erschöpft auf dem Nachhauseweg, als er an einem Banyanbaum vorbeikam, in dem ein Yakscha, ein Dämon, wohnte. Dieser Yakscha hatte vom König der Yakschas die Erlaubnis, jeden zu verschlingen, der sich innerhalb des Schattens dieses Baumes begab, und er war sehr erfreut einen solch schmackhaften Bissen kommen zu sehen. Der Dämon bemächtigte sich des Königs und teilte ihm seine Absicht mit, ihn zu verspeisen. Der König war natürlich ungeheuer erschrocken von der Aussicht, das Mittagessen eines Yakschas zu sein, und versuchte verzweifelt diese Kreatur davon zu überzeugen, ihn freizulassen. Der Yakscha zeigte sich verhandlungsbereit, letztlich sei dies allerdings eine Sache des Preises. Im Gegenzug für die Rettung seines Lebens versprach der König dem Yakscha regelmäßig eine Mahlzeit in Form eines anderen Menschen und zusätzlich eine große Schüssel weiterer Nahrung.

Zunächst wurden die Verbrecher von Alavi an den Yakscha verfüttert, was ein ganz vernünftige Regelung zu sein schien. Aber nach einer Zeit waren keine Verbrecher mehr übrig. Also erging ein königlicher Erlass, dass jede Familie der Reihe nach ein Kind abliefern müsste, um den Yakscha zu füttern. Dies führte verständlicherweise zu einer Auswanderungswelle, und so kam es, dass nach zwölf Jahren nur noch ein einziges Kind übrig war, der Sohn des Königs. Da der König sein Wort nicht brechen durfte, ordnete er an, auch wenn ihn dies zutiefst schmerzte, seinem Sohn die besten Kleider anzuziehen und ihn zum Yascha zu bringen.

Zum Glück jedoch intervenierte der Buddha. Er durchwanderte gerade die Region und hörte von der Sache mit dem Yakscha. Der Buddha begab sich zur Wohnstatt des Yakscha in dem Banyanbaum und fragte nach dem Yakscha, aber man sagte ihm, der Yakscha sei unterwegs im Himalaya zu einer Yakscha-Versammlung. Der Buddha bestand jedoch darauf, auf ihn zu warten, und verlangte vom Türsteher, ihn einzulassen, wobei er dessen Versicherungen, der Yascha würde ihn mit Sicherheit verspeisen, sobald er zurückkäme, missachtete. Er setzte sich also auf den Thron des Yakscha und nutzte die Zeit, den Frauen des Yascha die Lehre darzulegen. Inzwischen wollten zwei andere Yakschas, die sich auch auf dem Weg zur Yakscha-Konferenz befanden, den Platz überfliegen. Aber sie stellten fest, dass es ihnen nicht möglich war, die Stelle zu überfliegen, wo der Buddha saß, und sie beschlossen, zu landen, um nachzusehen, was dort vor sich ging. Sie sprachen also beim Buddha vor und bekundeten ihm seinen Respekt, bevor sie zum Himalaya weiterflogen.

Als der Yakscha von Alavi von ihnen hörte, dass ein Mönch es sich in seiner Wohnung bequem gemacht habe und auf seinem Throne säße, wurde er sehr wütend und er brach in großer Eile auf.

Sowie er zuhause angekommen war, machte er sich daran, den Buddha mit Hilfe seiner übernatürlichen Kräfte vom Thron zu werfen. Als seine Bemühungen jedoch nicht von Erfolg gekrönt waren, verlegte er sich auf eine andere Taktik: Er bat den Buddha, seine Wohnung zu verlassen - und zu seinem übergroßen Erstaunen kam dieser der Bitte nach.

Nun wollte der Yakscha herausfinden, inwieweit sich dieser Mönch seinem Willen fügte, und so bat er ihn wieder hereinzukommen, was der Buddha auch tat. Der Yakscha genoss die Macht dieser einfachen Kommandos und wiederholte das Spielchen noch drei Mal. Beim vierten Mal aber weigerte sich der Buddha, das Gebäude wieder zu betreten. Der Yakscha fragte den Buddha nun höflich, in der Hoffnung, so seine Macht über ihn zurückzugewinnen, doch des Buddhas Antworten überraschten ihn ob ihrer Weisheit und bis zu einem gewissen Grade öffnete sich sein Herz der Wahrheit. Den Yakscha verließ nun sein Verlangen, Macht über den Buddha auszuüben und bat statt dessen, als Schüler des Buddha akzeptiert zu werden.

Am nächsten Morgen erreichte eine traurige Prozession die Wohnstatt des Yakschas. Es waren die Diener des Königs, die den jungen Prinzen zum Opfer darbringen wollten. Der geläuterte Yakscha war beschämt und verlegen, an seine grausame Vergangenheit erinnert zu werden, und überantwortete den Knaben prompt dem Buddha, der ihn segnete und ihn dem königlichen Gefolge zurückgab, so dass er zu seinem Vater zurückkehren konnte. Der Prinz wurde von diesem Zeitpunkt an Hatthaka genannt, "derjenige, der ausgehändigt wurde".

Als die Bürger von Alavi hörten, dass der Yakscha bekehrt worden sei und jetzt ein Anhänger des Buddha wäre, waren sie sehr glücklich und erleichtert. Sie bauten dem Yakscha einen Tempel an einem schönen Flecken und brachten ihm regelmäßig Opfer dar: Blumen, wohlriechendes Parfüm und ähnliche Dinge. Diese Stelle war von da an unter dem Namen Alavi-Tempel bekannt und wurde einer der beliebtesten Rastplätze des Buddha, wenn er in dieser Gegend unterwegs war.

Der Prinz Hatthaka wurde, als er erwachsen war, einer der führenden Laienanhänger des Buddha und er hatte bald seinerseits zahlreiche Schüler. Als der Buddha einmal am Alavi-Tempel rastete, pries er Hatthaka in den höchsten Tönen und listete sieben wunderbare Qualitäten auf, die Hatthaka auszeichneten. Diese waren Vertrauen, Tapferkeit, Gewissenhaftigkeit, die Tatsache, dass er seinen Lehrer nicht enttäuschte, dass er ein guter Zuhörer war, Großzügigkeit und Weisheit. Einer der Mönche berichtete Hatthaka von dieser Belobigung des Buddha, und die erste Reaktion des Prinzen war, dass er seiner Hoffnung Ausdruck verlieh, es mögen nur Mönche anwesend gewesen sein und keine Laienanhänger. Als der Buddha davon hörte, ergänzte er seine Liste um einen weiteren Punkt: Bescheidenheit.

Bei einer anderen Gelegenheit, als der Buddha wieder einmal in Alavi war, kam Hatthaka mit 500 Laienanhängern, die alle beachtliche spirituelle Fortschritte gemacht hatten.

„Du hast eine große Anhängerschaft“, sagte der Buddha, „wie machst du es, so viele Leute zu begeistern?“

„Ich wende die vier Mittel an, von denen Ihr gesagt habt man könne die Sympathie der Menschen mit ihnen gewinnen. Zum Segen derer, die auf Großzügigkeit reagieren, praktiziere ich Großzügigkeit. Zum Segen derer, die durch freundliche Rede zu gewinnen sind, übe ich mich in freundlicher Rede. Zum Segen derer, die freundliches Handeln zu schätzen wissen, handle ich freundlich und zum Segen derer, die es schätzen, als Gleichberechtigte behandelt zu werden, praktiziere ich Unparteilichkeit. In ebendieser Weise begeistere ich die Leute und auf diese Weise habe ich diese große Anhängerschaft gewonnen.“

Der Buddha war erfreut, als er dies hörte. Er legte nunmehr Hatthaka und seinen Anhängern die Lehre dar und später, als diese gegangen waren, lobte er erneut Hatthaka vor den Mönchen.



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Das Blatt (ficus religiosa) im Hintergrund dieser Seite stammt vom Bodhi-Baum aus Anuraddhapura in Sri Lanka. Dieser ist ein direkter Abkömmling des Baumes, unter dem der Buddha seine Erleuchtung hatte.