Buddhas letzte Tage
erzählt von Saddhaloka, deutsch von Horst Gunkel
(c) Copyright by Saddhaloka and Horst Gunkel - letzte Änderungen 2004-01-28


Der Buddha verbrachte seine letzte Regenzeit mit Ananda nahe dem Dorf Beluva, das ist unweit von Vesali. Dort litt er unter der Ruhr. Sein Körper wurde von schrecklichen Schmerzen geschüttelt, und er war dem Tode nahe. Da er sich jedoch auf geziemliche Weise von seinen Jüngern verabschieden wollte, unterdrückte er die Krankheit durch einen ungeheuer starken Willensakt und erholte sich so etwas. Als er schließlich wieder aus dem Bett aufstehen konnte und sich in die Mittagssonne setzte, atmete Ananda sichtlich auf. Dieser hatte gesehen, wie nah der Buddha dem Tod war und hatte schon das Schlimmste befürchtet. Er hatte sich bei dem Gedanken ertappt, dass der Buddha nicht sterben würde, ohne seinen Anhängern letzte Anweisungen zu geben. Als er dem Buddha diese seine Gedanken mitteilte, bekam er einen freundlichen Tadel:

„Aber Ananda, was will denn die Jüngerschaft noch von mir? Ich habe ihnen mein ganzes Wissen weitergegeben. Es gibt keine verborgenen Lehren. Ich habe nichts in der Hinterhand, es gibt keine Geheimnisse mehr, die darauf warten, gelüftet zu werden. Ich bin jetzt 80 Jahre alt und mein Körper ist wie ein alter Karren, der nur noch mit Stricken zusammengehalten wird und sicher bald auseinander fällt. Nur wenn ich meinen Geist völlig vom Körper trenne, gelingt es mir, schmerzfrei zu sein. Die Zeit ist gekommen, da jeder von euch sich selbst eine Insel, eine sichere Zuflucht sein muss, unabhängig von mir. Die Wahrheit muss eure Zuflucht sein und nur diese, und ihr müsst euch voll und ganz dieser hingeben, um sie für euch selbst zu realisieren.“

Als der Buddha kräftig genug dazu war, begaben sich er und Ananda auf ihre letzte Wanderschaft.  Wo immer er ging, sprach es sich rasch herum, dass der Buddha auf seinem letzten Gang war, und die Leute scharten sich um ihn. Obwohl er schwächlich war, gab der Buddha sein Bestes: er beantwortete Fragen und forderte die Menschen zu höchsten Bemühungen im spirituellen Leben auf.

So reisten der Buddha und Ananda von Dorf zu Dorf, von Stadt zu Stadt, bis sie an einen Ort namens Pava kamen. Hier war der Buddha zu einem Essen bei einem seiner Anhänger, dem Goldschmied Chunda, geladen. Dort bekam er einen Rückschlag seiner Krankheit, und er fühlte, dass seine Zeit gekommen war. Der Buddha setzte mit Ananda noch die Reise fort, aber er war sehr krank und litt furchtbar. Dennoch verließ ihn nicht seine Fürsorge und Güte zu den Menschen, so sandte er einen Boten zu Chunda, um ihm zu versichern, dass die Rückkehr seiner Krankheit nicht auf dessen Essen zurück zu führen sei. Vielmehr sei es besonders verdienstvoll, einem Buddha das letzte Essen bereitet zu haben.

Sie mussten häufig rasten, und, während sie ruhig unter einem Baum saßen, kam Pukassa, ein früherer Schüler Alara Kalamas, der bei diesem mit dem späteren Buddha 50 Jahre zuvor meditiert hatte. Sie unterhielten sich, und Pukassa bat, als er die Wort des Buddha hörte und sich sein Herz geöffnet hatte, als Schüler akzeptiert zu werden. Pukassa hatte einen Ballen goldgewirkten Stoffes bei sich, und er frug, ob er daraus Roben für den Buddha und Ananda machen dürfe. Der Buddha stimmte zu und die Roben wurden rasch angefertigt und noch rechtzeitig geliefert. Als das glänzende Material über die Schulter des Buddha drapiert wurde, fiel auf, wie matt das Material im Vergleich zu Buddhas strahlend goldener Haut wirkte. Ananda beredete dies, worauf der Buddha anmerkte, dass es nur zwei Gelegenheiten gebe, wann die Haut eines Buddha so klar und strahlend sei: am Tag seiner Erleuchtung und unmittelbar vor seinem Tod. Dies war eine sehr schlechte Nachricht für Ananda, der den Verlust seines Lehrers fürchtete.

Der Buddha und Ananda setzten ihre Wanderung fort und gelangten schließlich zu einem Wäldchen aus Sal-Bäumen unweit von Kusinara. Zwischen zwei Bäumen war eine steinerne Bank, wo sich der Buddha auf die Seite legte und sich bereit machte zu sterben. Obwohl dies nicht der Jahreszeit entsprach, erblühten die Salbäume und ließen ihre Blütenblätter auf den Buddha herabrieseln. Ananda tat, was er konnte, um die letzten Stunden dem Buddha so erträglich wie möglich zu gestalten. Natürlich sprach es sich schnell herum, dass die letzte Nacht des Buddha gekommen war, und seine Anhänger aus der näheren Umgebung kamen im Sal-Wäldchen zusammen. Nach einer Weile schaute der Buddha auf und stellte fest, dass Ananda nicht mehr bei ihm war. Als er nach ihm frug, erhielt er die Antwort, dass Ananda in der Nähe an einem Türpfosten gelehnt stehe, bitterlich weine und klage: „Ich habe noch so viel zu lernen, und mein Lehrer, der so ein freundlicher Mann ist, wird bald nicht mehr da sein.“

Der Buddha schickte nach Ananda und sprach freundlich zu ihm: „Komm, Ananda, weine nicht. Du musst akzeptieren, dass wir all das verlieren, was wir lieben. Wie auch soll etwas, das einen Anfang hat, kein Ende haben? Du hast mir eine lange Zeit uneingeschränkt mit großer Liebe und Freundlichkeit gedient. Du hast dir auf diese Weise sehr große Verdienste erworben. Wenn du dich jetzt anstrengst, wirst du in kurzer Zeit erleuchtet sein.“

Dann wandte sich der Buddha an die anderen Mönche und lobte die vielen guten Qualitäten Anandas. Danach wies der Buddha Ananda an, nach Kusinara zu gehen und den Leuten in der Stadt zu sagen, dass der Buddha in dieser Nacht sterben würde, und dass sie die Möglichkeit hätten, ein letztes Mal in der Gegenwart seiner Weisheit und seines Mitgefühls zu weilen. Die Leute aus Kusinara kamen, viele von ihnen weinten und klagten, sobald sie die Neuigkeit gehört hatten. Es waren so viele gekommen, dass Ananda sie aufforderte, sich nach Familien zu gruppieren und der Reihe nach stellte er jede Gruppe dem Buddha vor.

Es kam auch ein heiliger Wanderer namens Subhadda, der sich zufällig in Kusinara aufgehalten hatte. Er hatte auch die Nachricht gehört, dass der Buddha auf seinem Sterbebett läge, und sah, dass dies die letzte Gelegenheit sein würde, eine Lehre des Buddha zu hören. Er ging zu Ananda und fragte ihn, ob es möglich sei, den Buddha zu sprechen.

„Du bist zu spät dran, mein Lieber“, sagte Ananda, „der Buddha ist sehr müde, du solltest ihn jetzt nicht mehr belästigen.“ Tief enttäuscht versuchte es Subhadda erneut, doch Ananda bestand auf seiner Zurückweisung. Subhadda habe diese Begegnung zu spät gesucht, der Buddha würde sterben und dürfe nicht mehr belästigt werden. Doch der Buddha hatte trotz seiner Schwäche die Ankunft Subhaddas bemerkt und wies Ananda an, ihn vorsprechen zu lassen. Subhadda ging auf den Buddha zu und erwies ihm seinen Respekt. Zunächst fragte er den Buddha, welche weiteren zeitgenössischen Lehrer erleuchtet seien, aber der Buddha hatte keine Zeit mehr, auf solche Fragen einzugehen. Er kommuniziert statt dessen den Kern seiner Lehre, und Subhadda reagierte darauf mit offenem Herzen. Er bat den Buddha, in seinen Mönchsorden aufgenommen zu werden.

Normalerweise hatten frühere Anhänger anderer Schulen eine viermonatige Probezeit zu absolvieren, bevor sie ordiniert wurde. Subhadda sagte, er würde liebend gern vier Jahre warten, aber der Buddha sah, dass Subhadda völlig entschlossen war, den Pfad zu beschreiten und wies Ananda an, ihn auf der Stelle zu ordinieren.

Die Nacht schritt fort, und in den frühen Morgenstunden hatte sich eine große Anzahl von Mönchen im Sal-Wäldchen versammelt. Zum letzten Mal wandte sich der Buddha an seine Anhänger: „Wer von euch noch irgend einen Zweifel hat oder Fragen, der sollte sie jetzt stellen und nicht länger zögern, damit er sich später nicht vorwerfen müsse, die Gelegenheit gehabt zu haben einen Buddha zu fragen und sie nicht genutzt zu haben.“ Insgesamt ermunterte er die Mönche auf diese Art drei Mal, Fragen zu stellen, doch die Versammlung verblieb im Schweigen. Um ganz sicher zu sein, dass keiner der Mönche diese letzte Gelegenheit verpasste machte der Buddha einen weiteren Vorschlag: „Mönche, wenn ihr aus Sorge um mich schweigt, dann sagt eure Frage einem Freund, dass dieser sie mir stellen soll.“ Doch die Versammlung schwieg weiter. Im Vertrauen, alles für seine Schüler getan zu haben, was in seiner Macht stand, sprach der Buddha seine letzten Worte:

„Alle Dinge sind unbeständig. Strebt weiter, achtsam!“

Dann versank der Buddha in einer tiefen Meditation, aus der er nicht mehr erwachte.



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Das Blatt (ficus religiosa) im Hintergrund dieser Seite stammt vom Bodhi-Baum aus Anuraddhapura in Sri Lanka. Dieser ist ein direkter Abkömmling des Baumes, unter dem der Buddha seine Erleuchtung hatte.