Die Gemeinschaft wächst
eine Geschichte aus dem Pali-Kanon, den ältesten buddh. Schriften
erzählt Saddhaloka, deutsch von von Horst Gunkel
(c) Copyright by Saddhaloka and Horst Gunkel - letzte Änderungen 2012-11-12

Nicht lange nach der Erleuchtung der fünf Asketen saß der Buddha allein unter einem Baum im Tierpark von Isipatana, nachdem er die Nacht in Meditation verbracht hatte. Als der Morgen graute, sah er einen jungen Edelmann mit erlesener Kleidung und goldgewirkten Schuhen durch den Nebel auf ihn zukommen. Dieser Mann war offensichtlich sehr bedrückt und verzweifelt, denn er wiederholte immer wieder: „Es ist so schrecklich, es ist so entsetzlich.“

Der junge Mann hieß Yasa und war der Sohn eines reichen Kaufmanns aus Baranasi. Als er nach einer Nacht mit Musik und Lustbarkeiten erwachte, sah er die umherliegenden Bediensteten und Tänzerinnen. Am Abend zuvor wirkten sie so verführerisch, aber nun lagen ihre schwitzenden Körper da, einige Mädchen schnarchten, einige sabberten, andere grunzten im Schlaf. Dieser überwältigende Gefühlsumschwung vermittelte ihm die ganze Leerheit des Lebens, das er führte. Er verließ den Palast und ging ziellos und ängstlich im Wald umher, als er beim Buddha vorbeikam.

Der Buddha lud Yasa ein, sich zu ihm zu setzen: „Komm´, Yasa, ich werde dir die Natur der Dinge erläutern“, sagte der Buddha. „Hier ist etwas, das nicht schrecklich und nicht entsetzlich ist.“ Als er diese Worte des heiter gelassenen Fremden hörte, verdrängte sofort ein Gefühl von Freude und Hoffnung die verzagte Laune, die Yasa zuvor umfing. Er zog seine goldgewirkten Sandalen aus, setzte sich neugierig zu dem heiligen Mann und hörte aufmerksam zu, was dieser ihm mitzuteilen hatte. Der Buddha führte ihn schrittweise tiefer in den Dharma ein, so dass ein „Wissen und ein Verständnis der Dinge, wie sie wirklich sind“ in Yasa aufstieg.

Im Palast war inzwischen Yasas Mutter erwacht und hatte bemerkt, dass ihr Sohn nicht da war; aufgeregt ging sie zu ihrem Gemahl. Diener wurden ausgesandt, um nach dem Jugendlichen zu suchen. Auch Yasas Vater nahm an der Suche teil, diese führte ihn auch in den Tierpark.

Obwohl er noch um einiges entfernt von der Stelle war, an der der Buddha und Yasa still zusammensaßen, wurde der Buddha doch des Herannahenden gewahr. Da er wusste, wer dieser war, setzte er seine geistigen Kräfte ein, um sicherzustellen, dass der Kaufmann seinen Sohn nicht sehen konnte.

Als er sich dem Buddha näherte, erblickte Yasas Vater plötzlich die goldgewirkten Sandalen, die in der Nähe lagen. Er beschrieb dem Heiligen seinen Sohn und fragte, ob dieser einen solchen Jugendlichen gesehen habe. Der Buddha erwiderte, dass er ihn in der Tat gesehen habe, und lud den Kaufmann ein, sich zu ihm zu setzen, indem er ihm versprach, er werde schon bald Yasa sehen. Höchst erleichtert nahm der Kaufmann Platz und befand sich rasch in einem tiefgründigen Gespräch mit dem Buddha. Im Laufe der folgenden Stunden belehrte der Buddha ihn und schließlich erreichte auch er Einsicht in die Natur der Dinge. Erfreut und dankbar bat er, als Schüler akzeptiert zu werden, und weihte sein Leben seinem neuen Lehrer.

Während der Buddha und der Kaufmann miteinander redeten, verweilte Yasa in tiefer Meditation und erreichte die volle Erleuchtung. Der Buddha wusste, was geschehen war, und erlaubte nun dem Kaufmann, seines Sohnes ansichtig zu werden. Yasas Vater war überglücklich und forderte den jungen Mann auf, mit ihm in ihr Palais zurückzukehren, um die Mutter zu beruhigen. Der frisch erleuchtete Yasa wandte sich mit einem bedeutungsvollen Blick an den Buddha, dieser verstand sofort und richtete seine Worte an den Kaufmann, indem er ihm eine Frage stellte: „Glaubst du wirklich, guter Mann, dass jemand, der die Wahrheit voll realisiert hat, jemals in ein bürgerliches Leben zurückkehren kann?“ Der Kaufmann bestätigte, dass dies wohl nicht möglich wäre.

Der Buddha eröffnete ihm, dass sein Sohn an diesem Morgen in die Gemeinschaft der Erleuchteten aufgenommen worden sei. Tief bewegt nahm der Kaufmann zur Kenntnis, dass sein Sohn niemals mehr in sein Palais zurückkehren werde, sondern sich dem Buddha anschlösse. Sein Leben würde nie mehr so sein, wie es einmal war. Dies mit Gefühlen sowohl der Freude als auch der Betrübnis zur Kenntnis nehmend, lud er den Buddha und seine Anhänger, also auch Yasa, zu einem Essen ein, das noch am selben Tag gegeben wurde. Ein erlesenes Mal wurde kredenzt, während dem der Buddha Yasas Mutter und seiner früheren Gemahlin den Dharma darlegte, und auch diese wurden seine Schüler.

Yasa war ein lebenslustiger und fröhlicher junger Mann und bei dem Menschen im Umkreis sehr beliebt. Als die Nachricht sich verbreitete, dass er ein Mönch geworden sei, waren seine Freunde und Gefährden sehr verwundert und neugierig, den Buddha zu treffen. „Da muss etwas völlig Außergewöhnliches mit diesem Lehrer sein“, so wunderten sie sich, „wenn er sogar Yasa gewinnen kann.“ So kam einer nach dem anderen, und jeder war tief beeindruckt von seiner Zusammenkunft mit dem Buddha. Innerhalb weniger Tage war nicht nur Yasa, sondern auch zahlreiche seiner Freunde zu Schülern des Buddha geworden und hatte sich dem Leben der hauslosen Wanderer angeschlossen.

Die Neuigkeit machte die Runde, und täglich kamen Menschen zum Buddha um seinen Belehrungen zu lauschen. Viele davon bekannten sich zum Dharma und zur Gemeinschaft seiner Anhänger. Der Buddha strahlte ungeheuer viele positive Energien aus. Unter diesen frühen Anhängern war das Bewusstsein da, dass die Zeit für die neue Lehre reif war und dass praktisch alles möglich sei. Viele von ihnen wurden in sehr kurzer Zeit erleuchtet, und aus den sechs Erleuchteten wurden sieben, elf, dann einundsechzig.

Eines Tages versammelte der Buddha alle seine Jünger und beauftragte sie, in die Welt hinauszuziehen und von Ort zu Ort zu wandern. Er forderte sie auf, den Weg zur Erleuchtung zu lehren zum Wohle und zum Glück der Vielen - aus Mitgefühl mit der Welt. Mit dieser Ermahnung in den Ohren gingen sie auseinander, verteilten sich in alle Richtungen und trugen die Botschaft des Buddha in die Städte und Dörfer des alten Indien. Auch der Buddha ging allein weiter auf Wanderschaft, um zu lehren.



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Das Blatt (ficus religiosa) im Hintergrund dieser Seite stammt vom Bodhi-Baum aus Anuraddhapura in Sri Lanka. Dieser ist ein direkter Abkömmling des Baumes, unter dem der Buddha seine Erleuchtung hatte.