Milarepas Penis
erzählt von Horst Gunkel
(c) Copyright Horst Gunkel - letzte Änderungen 2004-01-23

Nett, dass Sie sich für Milarepa interessieren - oder war es gar nicht das Wort "Milarepa" in der Überschrift, dass Sie, lieber Leser (liebe Leserin ??? ) diese Seite anklicken ließ?  Auf jeden Fall sollten Sie auch die anderen Milarepa-Geschichten lesen, um ein Bild von Tibets bekanntestem Yogi zu bekommen, am besten in der Reihenfolge, in der sie in der Übersichtsseite "Buddhistische Geschichten" stehen. - Und dann - viel Spaß mit "Milarepas Penis".


Tibets großer Yogi Milarepa praktizierte schon lange in einer einsamen Höhle in den Bergen Tibets und ihm schienen weder Hunger noch Kälte etwas auszumachen. Gegen den Hunger war praktisch bereits seit Jahren seine einzige Nahrung die Brennnesseln, die er sich zu einer Suppe kochte. Man sagt, Milarepa habe grüne Haut gehabt von der eintönigen Nahrung mit grünen Brennnesseln, daher wird er gewöhnlich auch in grün abgebildet.


Gegen die Kälte half ihm nur zweierlei, erstens seine Höhle, denn in der Berghöhle ging die Temperatur auch im strengen Winter nicht weit unter den Gefrierpunkt, was dennoch lausig kalt war, und zweitens seine Meditation: man sagt, er habe durch die Kraft seiner Meditation seinen Körper so stark unter Kontrolle gehabt, dass er gegen die Kälte praktisch immun war. Wie das bei der spärlichen Brennnesselnahrung gehen sollte, ist mir zwar ein Rätsel, aber vielleicht waren tatsächlich magische Fähigkeiten im Spiel. Kleidung schützte den Yogi nicht vor der Kälte, denn sein Fetzenkleid war längst zerrissen, und so lebte, meditierte und sang er nackt. Mitunter bekam er dennoch etwas anderes als Brennnesseln zu essen, denn manchmal begab er sich auf Almosengang, und hin und wieder kamen die Leute aus dem nächsten Dorf und brachten ihm etwas zu essen.

In letzter Zeit waren es drei junge Mädchen, die den Yogi häufig besuchten, ihm Nahrung brachten, seinen Liedern lauschten und - wie das so die Art von weiblichen Teenagern ist - öfter die Köpfe zusammensteckten, tuschelten und kicherten. Was sie da so erheiterte, ist nicht überliefert, und auch ich will hierüber nicht spekulieren. Auch warum die Mädels ihn zwar recht regelmäßig mit Nahrung versorgten, allerdings wohl nie auf die Idee kamen, ihm auch nur den kleinsten Fetzen Kleidung zu bringen, ist nicht überliefert. Vielleicht kamen sie ja auf die Idee - und taten es trotzdem nicht. Das alles jedoch störte unseren Yogi nicht, und er sang die schönsten Lieder: er ist nicht umsonst als der Sänger der 10.000 Lieder bekannt, und viele davon hat er wohl in Anwesenheit der drei Mädels zum Besten gegeben.

Eines Tages kam Milarepas Schwester zu Besuch. Sie wohnte weit entfernt, hatte aber vernommen, dass ihr Bruder zurückgezogen in völliger Einsamkeit lebte, denn der Ruhm des Sängers der 10.000 Lieder war durch ganz Tibet gedrungen. Auch sie brachte ihm bei ihrem ersten Besuch keine Kleidung mit. Schwer zu glauben, dass bei seiner Berühmtheit sich seine Nacktheit nicht herumgesprochen haben sollte; vielleicht dachte sie einfach, wenn er denn in der Einsamkeit in aller Unschuld seine Nacktheit als seine persönliche Note ansieht, was ist schon dabei.

Jedoch zeigte sie sich äußerst peinlich berührt bei ihrem ersten Besuch. Denn kaum war sie bei ihrem Bruder, stellten sich auch die drei Mädels ein. Sie brachten ihm Nahrung, er sang und sie hüpften und tanzten um und mit dem nackten Yogi, dass es seiner Schwester die Schamröte ins Gesicht trieb. Als die kichernden Mädels gegangen waren, stellte sie ihren Bruder zur Rede: "Das ist unmöglich, das kannst du doch nicht machen, schämst du dich denn gar nicht deiner Nacktheit?"

"Aber, liebste Schwester, was ist denn da zum Schämen, es ist doch die natürlichste Sache der Welt, nackt zu sein.!"

"Das vielleicht, aber was eben geschah, das geht einfach nicht! Wenn diese schamlosen Geschöpfe um dich herumtanzen, dann steht das da", und sie zeigte mit ihrem Finger auf eine Stelle zwei Handbreit unter seinem Nabel und lief dabei tiefrot an, "dann steht das da ab. Das ist unmöglich, das geht einfach nicht, wenn ich wieder komme, bringe ich dir etwas zum Anziehen mit, damit so etwas nie wieder sichtbar geschieht." Sprach´s und wandte sich zum Gehen.

Bald kam sie wieder und brachte Milarepa eine neue schöne Robe: "Darin hüllst du dich ein, damit eine solche Schande nie wieder passiert."

"Ich weiß", antwortete Milarepa und bemühte sich seiner Schwester zuliebe schuldbewusst auszusehen, "damit man nichts abstehen sieht."

"Genau, das geht einfach nicht, das ist äußerst unschicklich - und das vor den Mädels."

Die Schwester ließ ihren Bruder mit dem neuen Gewand allein und beschloss, bald wieder nach dem Rechten zu sehen, bei diesem Bruder weiß man ja nie.

Als sie bald darauf ihre Absicht in die Tat umsetzte und ihren Bruder aufs Neue besuchte, verschlug es ihr allerdings die Sprache. Die schöne neue Robe lag zerschnitten auf dem Boden und vor ihr stand ein breit lächelnder nackter - oder doch fast nackter - Milarepa. Alle zehn Finger waren einzeln mit Streifen des teuren Stoffes umwickelt, ebenso alle zehn Zehen, außerdem beide Ohren und die Nase. Auch der Penis war kunstvoll mit dem Stoff umwickelt, nur der Hodensack hing - von der Kälte halb an den Körper angezogen - im Wind. "Jetzt kann nix mehr sichtbar abstehen," schmunzelte der Yogi.

Die Reaktion der Schwester ist leider ebenso wenig überliefert, wie die von Milarepas Teenager-Fans.



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Das Blatt (ficus religiosa) im Hintergrund dieser Seite stammt vom Bodhi-Baum aus Anuraddhapura in Sri Lanka. Dieser ist ein direkter Abkömmling des Baumes, unter dem der Buddha seine Erleuchtung hatte.