Nandas 500 Jungfrauen
eine Geschichte aus dem Pali-Kanon, den ältesten buddh. Schriften
erzählt von Horst Gunkel
(c) Copyright by Horst Gunkel - letzte Änderungen 2015-01-27

Nanda war ein Verwandter des Buddha Shakyamuni. Er war ein junger Mann, der etwas wenig zur Selbständigkeit neigte. Den Buddha nannte man auch den Führer der führungsbedürftigen Menschen, und Nanda war mit Sicherheit ein solcher führungsbedürftiger Mensch. Er hatte zwar das spirituelle Potential zu einem erfolgreichen Mönch, aber nicht das Rückgrat, sich aus dem Elternhaus zu emanzipieren und dem Buddha zu folgen.

Aber auch Nandas Eltern waren nur allzu bereit, ihren Sohn zu führen, und sie hatten sein Leben schon genau verplant. Als nächster Schritt hatten seine Eltern für ihn die Ehe vorgesehen. Sie waren dabei durchaus fürsorglich und suchten für ihren Sohn eine Braut aus gutem Hause. Und sie hatten damit Erfolg! Mehr als das, die Braut, die sie für ihren Sohn ausgesucht hatten, war darüber hinaus noch besonders hübsch. Es wird gesagt, sie sei das schönste Mädchen aus Shakya gewesen, also gewissermaßen die Schönheitskönigin des kleinen Landes, aus dem der Buddha stammte. Shakya hatte damals etwa die Einwohnerzahl wie heute Luxemburg. Auch wenn wir es vielleicht nicht ganz wörtlich nehmen müssen, dass sie das allerschönste Mädchen aus Shakya war, können wir doch davon ausgehen, dass sie sehr hübsch gewesen sein muss, also in jeder Hinsicht eine gute Partie für Nanda.

Viele jüngere Verwandte des Buddha waren diesem inzwischen in die Hauslosigkeit gefolgt. Andere überlegten noch, ob Familie oder Mönchsstand das richtige für sie sei. Für Nanda bedeutete die bevorstehende Eheschließung also gewissermaßen den Scheideweg. Und ich denke mir, wenn man denn als junger Mann abwägen muss, zwischen einerseits einem Leben auf der Straße, in der Hauslosigkeit, abhängig von erbettelter Nahrung und einer nächtlichen Ruhestatt am Fuße eines Baumes, wo sich Skorpione, Kobras und vielleicht sogar Tiger einstellen können und andererseits ein Leben im Haus, mit guter regelmäßiger Nahrung und einem weichen nächtlichen Bett mit einem der schönsten Mädchen des Landes darin, fällt die Entscheidung den meisten nicht allzu schwer. Meditation im Freien in der Regenzeit oder heiße Liebesnächte mit einer Schönheit - welche Alternative!

Dennoch schien Nanda so etwas wie ein schlechtes Gewissen zu haben, denn kleinlaut fragte er den Buddha, ob er denn auch zur Vermählung käme.  Die Eheschließung war in Indien damals - und übriegns nicht nur damals - immer ein großes Ereignis mit einer entsprechenden Feier, als deren Höhepunkt die eigentliche Vermählung stattfand. Als der Buddha der Einladung schweigend - wie das so seine Art war - zustimmte, war Nanda froh: der große weise Mann schien ihm nicht gram zu sein, vielmehr schien er die Hochzeit zu akzeptieren, vielleicht hatte er ja sogar Verständnis dafür, dass Nanda den Schoß einer jungen Frau der Bettelschale vorzog.

Am Hochzeitstag gab es als Auftakt das übliche Festessen und der berühmte Gast, der Buddha, durfte neben dem Bräutigam sitzen, an der anderen Seite saß natürlich die Braut. Doch schon bald, das Fest war noch im vollen Gange und hatte längst noch nicht seinen Höhepunkt, die feierliche Einsegnung des jungen Paares erreicht, da verabschiedete sich der Buddha.

Nanda war betrübt: "Aber Erhabener, bleibt doch noch etwas!"

"Nein, Nanda, die Mönche erwarten heute noch eine Lehrrede von mir."

"Möchte der Erhabene noch etwas mitnehmen, vielleicht etwas zu essen für die Mönche?"

"Nein danke, Nanda, es ist guter Brauch, dass die Mönche nach der Mittagsstunde keine Nahrung mehr zu sich nehmen."

"Kann ich sonst vielleicht noch irgendetwas für Euch tun, Erhabener?"

"Ja, Nanda, du kannst mir die Bettelschale ein Stück des Weges tragen."

Nanda und der Buddha gingen die Straße entlang. Nanda, der eigentlich erwartet hatte, dass der Buddha ihm noch etwas sagen wollte, vielleicht ein paar Tipps für das Eheleben, hatte sich getäuscht, der Buddha schien nicht mit ihm reden zu wollen, statt dessen schmunzelte er nur, als ob ihn irgend etwas amüsiere. Jetzt waren sie schon über zwei Meilen gegangen, und noch immer hatte der Buddha nicht die erlösenden Worte gesagt, auf die Nanda so wartete: "Es ist gut Nanda, gib mir die Schale und viel Spaß mit deinem schönen Shakya-Mädchen."

Und Nanda seinerseits traute sich nicht, von sich aus etwas zu sagen. Inzwischen verließ der Buddha sogar die Straße und bog in einen schmalen Pfad in Richtung eines Wäldchens ein. Spätestens hier hatte Nanda erwartet, endlich entlassen zu werden. Nicht gerade begeistert, aber folgsam, wie es so seine Art war, ging Nanda jetzt hinter dem Buddha drein. Einerseits war es natürlich schön, in Begleitung dieses großen Weisen zu sein, der so viel positive Energie ausstrahlte, und Nanda hätte das auch gern zu jeder anderen Zeit genossen, aber andererseits war da dieses schöne Shakyamädchen, "Liebster, bleib nicht so lange!" hatte sie gesäuselt, als er mit dem Buddha aufgebrochen war. Nur allzu gern wäre er sofort zurückgerannt, hätte ihr seidenweiches Haar gestreichelt, ihre jungen, vollen Brüste liebkost... Aber statt dessen stolperte er hinter dem Buddha her, als sie das Wäldchen betraten.

Bald kamen sie bei den Mönchen an. Nanda trat verlegen von einem Fuß auf den anderen und stammelte: "Ja, also... ähh, dann..." Der Buddha sah, dass dieser junge Mann noch immer nicht in der Lage war, klar gemäß seinen Bedürfnissen zu entscheiden und die Konsequenzen einer Entscheidung zu tragen. Also übernahm der Buddha die Initiative, er, der Führer der führungsbedürftigen Menschen. "Ordiniert ihn!" wies er kurz die Mönche an und zog sich in die Meditation zurück.

Nanda stand mit hochroten Kopf da und wusste nicht, wie ihm geschah, doch als es dunkel wurde, war er ordiniert, hatte eine gelbe Robe an und sein Kopf war inzwischen kahlgeschoren. Er hatte artig die dreifache Zufluchtsformel gesprochen: "Buddham saranam gacchami (zum Buddha nehme ich meine Zuflucht), dhammam saranam gacchami (zur Lehre der Buddhas nehme ich meine Zuflucht), sangham saranam gacchami (zur Gemeinschaft derer, die diese Lehre praktizieren, nehme ich meine Zuflucht)." Er tat dies alles, ohne zu widersprechen. Und in der Nacht lag er am Fuße eines Baumes statt in den Armen des schönsten Shakya-Mädchens und Tränen rannen über seine Wangen. Aber es waren keine Freudentränen über die erfolgte Ordination und das nun vor ihm liegende zölibatäre Leben, sondern bittere Tränen der Sehnsucht und des Verlangens.

Und auch die Meditationen wollten Nanda in den nächsten Tagen keineswegs glücken. Statt sich in der Meditation auf seinen Atem zu konzentrieren, darauf, wie seine Bauchdecke sich beim Einatmen hob und beim Ausatmen senkte, sah er die liebreizende Bauchdecke des schönsten Shakyamädchens sich heben und senken, sah wie sich mit jedem Atemzug ihre jungen Brüste hoben und senkten, wie sie verlockend ihre sinnlichen Lippen für ihn öffnete und hauchte: "Liebster, bleib nicht so lange!"

Nach einigen Tagen war es so weit, erklagte den Mönchen sein Leid, und diese wiederum informierten den Buddha, der Nanda zu sich rief.

"Nanda, ist es wahr, dass dir das heilige Leben keine Freude macht?"

"Ja, Herr, so ist es."

"Ist es so, Nanda, dass dir die körperlichen Vorzüge deines Shakya-Mädchens verlockender erscheinen als das heilige Leben?"

"Ja, Herr, es ist wahr, ihr seidenweiches Haar, ihre schelmisch blitzenden Augen, ihre vollen roten Lippen, der straffe junge Körper, ihre Brüste -  jung und fest und doch voll - ihr Bauchnabel, mit einem Edelstein verziert, und ihre langen schönen Beine gehen mir nicht aus dem Sinn. Ich will bei ihr sein, sie liebkosen, mich ihr hingeben."

"Ist das alles?" fragte der Buddha.

"...?"

"Nur dieses eine Mädchen, sonst nichts, darf´s nicht vielleicht ein bisschen mehr sein?" fragte der Buddha mit einem freundlichen, verständigen Lächeln, gerade so als wolle er ihm mehr Sex bieten.

"Wie... ähm ... wie meint Ihr das?" fragte Nanda verwundert.

"Komm mit", sagte der Buddha, nahm Nanda an der Hand und erhob sich zu dessen Verwunderung mit ihm in die Lüfte. Man erzählte sich ja die tollsten Geschichten vom Buddha, aber das...

Rasch, wie ein starker Mann den rechten Arm anziehen kann oder wie er seinen rechten angezogenen Arm wieder strecken kann, gelangten sie in ein himmlisches Reich. Nanda wusste nicht, wie ihm geschah, ob er wachte oder ob er träumte, aber er sah sich plötzlich in wunderbaren Gefilden, in einem riesigen Garten mit unzähligen betörend duftenden Blumen, Springbrunnen plätscherten, muntere Wasserfälle ergossen ihr Wasser über die Berge im Hintergrund, und verspielte Schmetterlinge taumelten in den Lüften in fröhlichem Liebesspiel. Sanft erklang himmliche Sphärenmusik und alles war von einer wunderbaren Farbigkeit, wobei eindeutig die Pastelltöne dominierten. Und das schönste von allem: dieser paradiesische Garten war bevölkert von zahlreichen wunderschönen Nymphen, himmlischen Jungfrauen. Männer gab es außer dem Buddha und Nanda keine.

Der Buddha musterte Nanda amüsiert, dem vor Staunen fast die Augen herausfielen. Diese Jungfrauen waren nun mit Sicherheit das Schönste, was mann sich überhaupt nur vorstellen kann, und sie waren alle sehr leicht bekleidet, und was die spärliche, dünne Kleidung verhüllte, das hob sie eher hervor als dass sie es verbarg. Einige der Jungfrauen tanzten um Nanda herum, ihre Haare flogen im Wind, ihre jungen festen Brüste hüpften dabei auf und ab und die dünnen Schleier um ihre Hüften hoben und senkten sich mit ihrem leicht beschwingten Tanz. Am meisten aber war Nanda beeindruckt von ihren Füßen, die er gut sehen konnte, denn die Nymphen sprangen tänzelnd wie Ballerinas in die Luft, allerdings irgendwie in Zeitlupe. Solche Füße gab es bei irdischen Mädels nicht. Die Mädchen, die Nanda kannte, hatten meist derbe Füße, denn gewöhnlich ging man barfuß, und selbst die edelsten Prinzessinnen hatten zumindest einen Anflug von Hornhaut an ihren Füßen. Diese Jungfrauen aber hatten völlig rosig zarte Füßchen, als wären die Nymphen ihr ganzes Leben lang nur auf Rosenblättern gewandelt. Nanda sah sich im Geiste in den Armen dieser Schönheiten, den Kopf an den Busen der einen gelehnt, eine andere im Arm und eine dritte massierte mit ihren zarten Händen seinen Oberkörper mit einer wohlriechende Salbe, eine andere mit ihren süßen Füßen seinen... Nein es war zu toll!

"Gefallen sie dir?" fragte der Buddha.

"Sie sind himmlisch!"

"Was gefällt dir denn besser, eine von denen oder dein Shakya-Mädchen?"

"Herr, jede von diesen ist hundert Mal schöner als mein Shakya-Mädchen."

"Gut," sagte der Buddha, "du kannst sie haben!"

"Wie denn, Buddha, du meinst ich kann mir eine dieser wundervollen Jungfrauen aussuchen?"

"Nicht eine, Nanda, alle! Du kannst sie alle 500 haben!"

"Das kann nicht Euer Ernst sein, Herr!"

"Doch, Nanda, du kannst sie alle haben, sowie du erleuchtet bist."

"Ihr meint, Herr, wenn ich dem Pfad folge, den ihr aufgezeigt habt, meine Meditation perfektioniere und die Verwirklichung erreiche, kann ich alle diese Jungfrauen besitzen?"

"Ja, Nanda, kein Problem, alle fünfhundert!"

Der Buddha nahm Nanda beim Arm und schon waren sie wieder im Wäldchen auf der Erde. Diese Nacht konnte Nanda wieder nicht schlafen, diesmal jedoch nicht vor Trauer, sondern vor Erregung. Als schließlich der Morgen graute, kam ihm jedoch ein furchtbarer Verdacht. Ob er vielleicht alles nur geträumt hatte? Schließlich ist es nicht üblich, durch die Lüfte zu fliegen und eine Spritztour in den Himmel zu machen. Von Stunde zu Stunde stiegen seine Zweifel, schließlich fasste sich Nanda ein Herz und ging zum Buddha.

"Ach, Herr," fragte er, "sagt, wenn ich diese Meditation erfolgreich durchführe und eines Tages erleuchtet bin..." Er musste nicht zu Ende reden, der Buddha wusste, welche Zweifel ihn plagten.

"Ja, Nanda, dann kannst du alle 500 Nymphen haben, alle." Es war also wirklich war! Nanda strahlte bis über beide Ohren, als er zur Meditation ging.

Ob es allerdings geschickt war, was Nanda außer der Meditation noch machte, ist mehr als fraglich. Er erzählte den Mönchen nämlich bei jeder sich bietenden Gelegenheit, dass der Buddha ihm 500 Nymphen mit rosigen Füßen versprochen habe. Außerdem bemühte er sich, allen die körperlichen Vorzüge - und zwar nicht nur, was die Füße betraf - seiner künftigen Gespielinnen aufs Detaillierteste zu schildern. Die Mönche begannen Nanda zu meiden. Die einen, weil sie ihn für bekloppt hielten, die anderen, weil er Gefühle in ihnen weckte, die sie gerade zu überwinden versuchten.

So hörte er auf, davon zu erzählen. Er stellte außerdem fest, je mehr er sich die körperlichen Vorzüge der Nymphen und die herrlichen erotischen Abenteuer, die ihm bevorstanden, vorstellte, desto schlechter verlief seine Meditation. Also entschied er sich erst zu meditieren und die Vorzüge der körperlichen Liebe auf später zu verschieben, dann aber wollte er sie voll auskosten. So wurde aus Nanda ein ordentlicher Mönch und das Shakya-Mädchen hatte er darüber ganz vergessen.

Jahre später begegnete der Buddha Nanda wieder. Nanda strahlte eine Souveränität, eine Ruhe und eine Gelassenheit aus wie nur ganz wenige Mönche. Der Buddha schmunzelte. Nanda ging freudig auf den Erhabenen zu: "Herr, habt vielen Dank."

Der Buddha schwieg und sah Nanda an, als warte er gelassen auf den nächsten Satz.

Und Nanda schmunzelte auch, als er ihn sprach: "Und, Erhabener, was euer Versprechen bezüglich der 500 Nymphen angeht - ich entlasse Euch aus Eurem Versprechen." Der Buddha nahm´s mit Wohlgefallen auf.

"Nur eine Frage noch, Herr," erkundigte sich Nanda, " ein Buddha spricht immer die Wahrheit und Ihr habt mir damals diese 500 Nymphen versprochen. Was, wenn ich Euch nicht aus Euren Versprechen entlassen hätte?"

"Aber, Nanda, ein Erleuchteter lügt nie, wie du richtig sagtest. Aber jeder würde mich, sobald er erleuchtet ist, aus einem solchen Versprechen entlassen."

Beide schmunzelten. Dann verbeugten sich die beiden Erleuchteten voreinander.


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Das Blatt (ficus religiosa) im Hintergrund dieser Seite stammt vom Bodhi-Baum aus Anuraddhapura in Sri Lanka. Dieser ist ein direkter Abkömmling des Baumes, unter dem der Buddha seine Erleuchtung hatte.