Hochmoralische Masturbation

oder: Sandras kleines, geheimes Vergnügen

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Sandra ist eine alleinstehende Frau, die in ihrem Beruf aufgeht. Hier trägt sie Verantwortung, hier bekommt sie Bestätigung, hier fühlt sie sich wichtig. Daher steht der Beruf im Mittelpunkt ihres Lebens.

Mit Beziehungen hat sie keine so gute Erfahrung gemacht. Mit 21 war sie verheiratet, mit 23 geschieden. Danach hat sie noch zwei, drei Mal mit jemandem zusammengelebt, einmal fast ein Jahr lang. Danach war ihr klar, dass sie nicht für dauerhafte Beziehungen geschaffen ist. Seitdem hat sie hin und wieder eine kurze intime Bekanntschaft, aber nichts, was über einen one-night stand hinausging, höchstens mal im Urlaub. Das ist o.k., kurzlebiger moderner Sex und dann hinterher nichts mehr miteinander zu tun haben müssen. Wozu auch, sie liebt keinen Typen, sie liebt ihren Beruf, weil sie da erfolgreich ist, als chief creative officer im Markting-Bereich eines bekannten Unternehmens.

Und außerdem gibt es da noch Sandras kleines, geheimes Vergnügen, einmal im Monat. Das ist „ihr“ Abend. Es muss ein Abend sein, wo sie sonst absolut nichts anderes vorhat. Ein Abend, der nur ihr und ihrem Geheimnis gehört. Schon mittags geht sie in das exklusive Fischgeschäft in der Fußgängerpassage, in der man lebende Fische zum Selbstschlachten und –zubereiten bekommt. Sie holt sich eine schöne Forelle, die sie im Plastikbeutel nach hause trägt. Es ist ein durchsichtiger Plastikbeutel, aber der steckt nochmals in einer undurchsichtigen Tüte mit der Aufschrift des Fischgeschäfts. Braucht ja keiner sehen, dass sie einen lebenden Fisch gekauft hat. Sie bringt das Tier mit in ihr Appartement, dann geht sie für gewöhnlich aus, am frühen Abend, irgendwohin etwas schönes Essen. Heute gönnt sie sich bei diesem neuen Italiener eine Gemüselasagne und ein gutes Glas Wein dazu. Hinterher noch ein Espresso.

Dann zurück in ihre eigenen vier Wände, schließlich ist es „ihr“ Abend. Sie lässt warmes, nicht zu heißes Wasser in die Wanne, 35 Grad sind optimal. Im Schlafzimmer legt sie sich das Musikgerät mit ihren Lieblingsmelodien für diese besonderen Abende bereit, und zündet die Kerzen an, deckt das Bett auf und zieht sich das kurze, transparente rote Negligé an, das ihre rasierte Vagina sehen lässt, wenn sie die Arme hochnimmt, sonst nichts. Sie betrachtet sich im Spiegel: sie sieht immer noch sehr passabel aus. Sie kann noch zahlreiche kurzlebige Sexbekanntschaften haben, sagt sie sich zufrieden, und ansonsten, nun dann hat sie immer noch ihr kleines, geheimes Vergnügen, von dem sie nicht einmal ihrer Schwester Melanie erzählen würde. Die ist verheiratet, hat zwei Kinder, so ein kleinbürgerliches langweiliges Leben auf dem Lande. Nein, das ist nicht ihr Ding. Sandra ist eine moderne Frau mit einem großstädtischen Lebenswandel, sie ist im 21. Jahrhundert angekommen.

Inzwischen ist das Badewasser eingelassen. Sandra stellt den Wasserhahn ab und lässt den Fisch schwimmen. Der findet das gar nicht so behaglich, 20 Grad wären ihm lieber, und Sandra muss auch aufpassen, dass die Forelle nicht zu lange darin ist, das vertragen die Tiere nicht. Anfangs war sie ungeschickt, hat den Fisch ins Wasser gesetzt und ist dann ins Schlafzimmer gegangen. Schließlich war der Fisch verstorben und Sandras Abend verdorben, das sollte ihr nicht wieder passieren. Aber so etwa 10 Minuten in dem mäßig warmen Wasser sind schon genau das Richtige, denn erstens ist der Fisch dann nicht mehr so kalt, und zweitens wird der Fisch durch die erhöhte Temperatur quicklebendig, vielleicht sogar leicht rasend – und auf wild steht sie, so gesteht sich Sandra lächelnd ein. Sie stellt fest, dass ihre Brustwarzen sich aus freudiger Erwartung fest aufgerichtet haben und kann die sanfte Berührung mit dem dünnen Stoff ihres Negligé hier wohlig spüren.

Jetzt kommt der schwierigste Teil des Abends, Sandra muss den Fisch fangen – und der ist ob der erhöhten Temperatur noch agiler als ohnehin, aber nach ihren ersten kläglichen Versuchen vor drei Jahren weiß sie inzwischen, wie sie vorgehen muss. Zunächst kommt dieses Tuch ins Wasser, und wenn der Fisch sich auf der Flucht vor ihren Händen im Tuch verfängt, ist er nicht nur in seiner Beweglichkeit behindert, er sieht auch nichts mehr, denn seine Augen sind vom Tuch bedeckt und dann kann Sandra zupacken. Mit der rechten Hand fasst sie ihn zwischen Rumpf und Schwanzflosse, dort wo man ihn am besten packen kann. Aus dem Wasser mit den zappelnden Gesellen; das Tuch nach vorne abziehen und mit der anderen Hand in der Mitte des Körpers packen, jetzt kann er nicht mehr entwischen, sie hält ihn fest mit beiden Händen. „Du entwischst mir nicht mehr, mein schöner starker Kerl“, spricht sie lüstern kichernd zu dem sich windenden Tier und verschwindet hurtig ins Schlafzimmer.

Aus Kissen und Decken hat sie sich dort schon ein schönes, behagliches Nest gebaut, auf das sie sich rücklings legt. Der Fisch schnappt nach Luft, seine Kiemen können nicht mehr atmen, hilflos pumpt er rasend vor Angst mit dem Mund. „Genau das brauchen wir jetzt“, sagt Sandra und positioniert den Fisch gutgezielt so, dass seine nach Luft schnappenden und pumpenden Lippen sie zwischen ihren gespreizten Beinen berühren. „Jaaaaaaa,“ sagt sie und kann dabei ihre Erregung in jeder Pore ihres aufgegeilten Körpers spüren, „und jetzt habe ich noch einen besonderen Leckerbissen für dich.“ Und mit diesen Worten führt sie das sich immer noch hastig bewegende Maul des sich in aussichtsloser, hilfloser Lage befindenden Fisches an ihre Klitoris. „Das machst du gut mein Kleiner, nur weiter so,“ flüstert sie ihm zu, und die Feuchtigkeit zwischen ihren Beinen kommt jetzt nicht mehr in erster Linie vom Tier.

Sie fühlt: sie ist jetzt so weit, sie will mehr als nur den kleinflächigen Kontakt mit dem Mund ihres Lovers des Monats und so beginnt sie sich vorsichtig - ein Stück hinein, ein Stück zurück - den Kopf des Fisches in ihre Vagina einzuführen. Die dunkle enge Höhle und das Reiben der unbekannten Haut am Kopf des Fisches lassen dessen Not, dessen Todesangst ins Unermessliche steigen, und er beginnt sich zu winden, seine Muskeln in alle Richtungen zu bewegen, mit dem Schwanz verzweifelt auszuschlagen. „Ja, du bist ja ein ganz kräftiger, mein schöner, starker Kerl“, sagt sie, „da muss ich aber aufpassen, dass du mir nicht entgleitest.“ Und schiebt sich verschmitzt lächelnd den unglücklichen Fisch mit seinem halben Körper in ihren Unterleib, was den zu wildestem Zucken veranlasst.

Sandra braucht jetzt nur noch eine Hand, um den Fisch zu halten, den Rest des Zupackens besorgt ihre Vagina, sodass sie eine Hand frei hat, um die Musik anzustellen. „Ich will Spaß, ich will Spaß“ tönt der Song, der ihr aus dem Herzen spricht, während der Fisch sich in tiefster Verzweiflung windet, einen Ausweg aus der engen sauerstofffreien und inzwischen zwar sehr feuchten aber für ein Wesen seiner Art längst nicht genügend nassen, ungewohnten Umwelt zu befreien. Und je heftiger dieser sich wehrt, desto geiler sind Sandras Empfindungen, sie weiß dass sie bald kommen kann. Jetzt kommt der Teil, wo sie mitarbeitet, nicht nur das Tier bewegt sich, sondern auch Sandra schiebt es sich im Takt der Melodie vor und zurück: „Like a Sex Machine“. Es ist der Gedanken, dass ein fühlendes Wesen, ein Mitgeschöpf sein Leben für ihre Geilheit hingibt, dafür, ihr einen sexuellen Höhepunkt zu kredenzen, der Sandra bis in die letzte Pore ihres wollüstigen Körpers aufgeilt.

Aber jetzt muss Sandra sich beeilen, sie merkt an den selteneren, dann aber ruckartigen Bewegungen, dass es nur noch zwei, drei Minuten dauern wird und alle Kraft wird für immer aus dem Fisch geschwunden sein. Sie dreht ihn so, dass seine Flossen ihre Klitoris reiben und sie ihn durch ruckartige Bewegungen animiert, sein Letztes zu geben. Und sie merkt: jetzt ist es bei ihr gleich so weit. Ihre Finger fühlen die Taste des musicplayers und drücken drauf, und nun ertönt die Eroica, die zum Höhepunkt führt. Früher hat sie an dieser Stelle manchmal „Spiel mir das Lied vom Tod“ gehört, aber die pathetische Symphonie Beethovens findet sie doch eigentlich passender, schließlich geht es hier um ihre Gefühle - und nicht um die des blöden Fisches.

„Komm, ja besorg´s mir“, schreit Sandra, als sie merkt, dass ihr Unterleib sich automatisch genau so ruckartig zu kontrahieren beginnt wie der Fisch da in ihrem Unterleib. „Jetzt….jaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa!“ und im Todeskampf vollzieht das Tier seine letzten verzweifelten Windungen, während Sandra sich wollüstig ihrem Organismus hingibt.

Sandra liegt nun entspannt in ihren Kissen, hat die Decke über sich gezogen, der tote, schlüpfrige Fisch ist inzwischen aus ihr herausgeglitten. Ihr musicplayer spielt jetzt ein leichtes fröhliches Lied. Sandra ist rundherum befriedigt, nicht so wie die ersten Male, als sie sich noch mit einem Rest von schlechtem Gewissen plagte und sich deshalb immer wieder sagen musste: „Wieso, ist ja doch bloß ´n Fisch.“ Dann hat sie manchmal einen Moment daran gedacht, dass vergewaltigende und mordende Soldaten im Krieg sich sicher ganz ähnlich fühlen müssen, hat den Gedanken aber schnell wieder verdrängt. Nein, sie will sich von keinen blöden Überlegungen ihr kleines, geheimes Vergnügen nehmen lassen. Was ist schon dabei, sich einmal im Monat einen Fisch zu gönnen?

Ihrer Schwester Melanie dürfte sie davon nichts sagen, denkt sie, die hat immer mal so einen Moralischen. Dabei spinnt die. Die ist gerne ein Fischbrötchen mit Brathering, hat sie ihr neulich erzählt: „Ein- oder zweimal die Woche brauche ich das,“ hat Melanie ihr gesagt, das scheinheilige Luder.

Ein- oder zweimal die Woche! Mein Gott! Die sollte mal sehen, wie die Fische auf den großen Fischfangfabriken krepieren, zu Zigtausenden an Bord gezogen winden sie sich da übereinander in mindestens genau so qualvoller Enge wie mein Lover und sterben genau so jämmerlich. Außerdem krepieren noch einmal mindestens genau so viele Fische, die hinterher tot wieder über Bord geworfen werden, weil sie andere Tiergattungen sind, die nicht ins Vermarktungsschema, dieser Fischindustrie passen.

„Ein- oder zweimal die Woche braucht sie das“, sagt sich Sandra, als sie an ihre Schwester denkt, die kleine, dumme Schwester, die so oberflächlich ist, dass sie die Dinge nie zu Ende denkt. „Ein- oder zweimal die Woche – und die käme nicht auf die Idee ein schlechtes Gewissen zu haben, rennt jede Woche in die Kirche, ist ja katholisch – und freitags gibt´s Fisch – mein Gott, ein- oder zweimal die Woche! Und da sollte ich, Sandra, ein schlechtes Gewissen haben, wo ich doch nur einen armseligen Fisch im Monat verbrauche, aber dann ganz bewusst, während diese Melanie gedankenverloren ihr Fischbrötchen kaut, sich dabei noch unterhält, nicht einmal richtig genießt, wofür ein anderer sterben musste! Ich tu´s nur einmal im Monat und dann mit wesentlich größerem Lustgewinn als du, du dumme kleine Melanie, Du verdrängst ja nur, was du wirklich machst! Fische essen - so etwas, die reine Verschwendung! So viel Leid verursachen für einen so kleinen Lustgewinn. Verglichen damit ist meine Masturbation geradezu hochmoralisch.“

Und du, wo stehst du?

Bist Du noch so wie Sandras kleine, dumme Schwester Melanie? Eine unachtsame Tierverbraucherin, die sich keine Gedanken darum macht, wie viel Leid sie in Tierhaltung und Schlachtung durch ihre Ernährung verursacht?

Oder bist Du schon so weit wie die sich „hochmoralisch“ nennende Sandra, die zwar einmal im Monat bewusst, achtsam ein Tier tötet, dann aber mit viel größerem Lustgewinn als ihre oberflächliche Schwester?

Oder bist Du sogar schon einen Schritt weiter als Sandra?
Bist Du wirklich einen Fisch pro Monat besser als Sandra?
Oder warum hast Du Dich beim Lesen empört?
Siehst Du etwa den Splitter im Auge Deiner Schwester, aber den Balken in Deinem siehst Du nicht?


© Copyright 2010 by Horst Gunkel, Gelnhausen
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