Jataka-Geschichte 316 - Sasa-Jataka:
Wie der Hase auf den Mond kam
eine buddhistische Gescchichte aus dem Pali-Kanon, nacherzählt von Horst Gunkel
letzte Änderungen: 2014-11-27

In Savatthi lebte ein wohlhabender Gutsbesitzer, dem Geiz fremd war und der häufig Asketen bewirtete. Als der Buddha mit einer großen Schar Mönche bei Savatthi weilte, ging der Gutsbesitzer des Abends zum Buddha und zu seiner Sangha und bat sie, sein Gast zu sein. Schweigend nahm der Buddha das freundliche Angebot an. Am nächsten Tag zur Mittagsstunde fand sich der Buddha mit über hundert seiner Mönche dort ein, wo der Gutsbesitzer einen großen Pavillon mit kostbaren Sitzen für seine Gäste hatte errichten lassen. Und der wohlhabende Mann bewirtete sie höchstselbst mit kostbarer Speise von höchstem Wohlgenuss. Anschließend bat er den Buddha und sein Gefolge, am nächsten Tag erneut zu kommen. Das ging so eine ganze Woche lang. Dann wandet sich der Buddha an den Gutsbesitzer und sprach: „Es ist sehr verdienstvoll den Buddha und die in die Hauslosigkeit gegangenen Mönche mit Speise zu versorgen. Lass mich dir daher eine Geschichte aus einem früheren Leben erzählen.“

Da freute sich der Gutsbesitzer und auch alle anderen Anwesenden und der Buddha erzählte folgende Geschichte:

Vor vielen hundert Jahren, als in Benares König Brahmadatta herrschte, wurde der Bodhisattva (also der spätere Buddha) in einer Hasenfamilie geboren. Er lebte am Rande eines bewaldeten Berges nahe des Flusses. Er war mit drei anderen Tieren befreundet; einem Affen, einem Schakal und einem Fischotter. Jeder von ihnen pflegte sich die seiner Art gemäße Nahrung zu suchen, und am Abend kamen sie zusammen um miteinander zu reden. An diesem Tag sprach der weise Hase: „Ausgezeichnet ist es Almosen zu geben, vorzüglich ist es, die ethischen Vorsätze einzuhalten und natürlich sollte man den Uposatha-Feiertag heiligen.“

Die Tiere stimmten dem Hasen zu und begaben sich dann in ihre Höhlen, um zu schlafen.

Eines Tages betrachtete der weise Hase mit geübtem Blick den Himmel und las den Stand der Sterne. Dann wandte er sich an seine Freunde: „Kameraden, morgen ist der Uposatha-Tag. Es wäre gut, wenn auch ihr diesen Tag heiligt und Almosen spendet. Wenn also ein Bettler des Weges kommt, so gebt ihm von eurer Nahrung.“

„So soll es geschehen“, versicherten die drei Freunde und zogen sich ihre Behausungen zurück.

Am nächsten Morgen begab sich der Fischotter an das Ufer des Flusses, um nach Nahrung zu suchen. Dort hatte ein Fischer sieben Fische gefangen und sie am Ufer mit Blättern und Sand bedeckt, um sie vor Hitze und räuberischen Tieren zu schützen.

Der Otter sah die Fische und rief: „Hallo, ist da irgendeiner, dem diese Fische gehören? Wenn nicht nehme ich sie mir mit.“ Und als er keine Antwort hörte, nahm er die Fische mit nach Hause, sann darüber nach, wie tugendhaft er doch sei, und freute sich auf das leckere Mahl.

Auch der Affe hatte nach Nahrung gesucht und hatte im Mangohain schöne reife Mangos gefunden, die er nun zu seiner Heimstatt trug. Dort legte er sich in die Sonne, freute sich, dass er so tugendhaft war und einem Bettler davon abgeben würde – und sagte sich, dass er all die leckeren Früchte alleine würde verspeisen können, wenn keiner zum Betteln käme.

Und natürlich war auch der Schakal nicht untätig gewesen. Er war zu einer menschlichen Hütte in der Nähe gegangen, hatte dort zwei Fleischspieße und ein Topf mit Buttermilch gefunden und – er wollte ja nicht gegen den Vorsatz des Nehmens von Nichtgegebenem verstoßen – rief laut: „Hallo, ist da irgendeiner, dem diese Fleischspieße und die Buttermilch gehören? Wenn nicht nehme ich sie mir mit.“

Und als er keine Antwort erhielt, schleppte er die Beute nach Hause. Dort sann er darüber nach wie gut er die ethischen Vorsätze eingehalten hatte und sagte sich, dass er zwei leckere Fleischspieße und Milch genießen würde, wenn kein Bettler käme – und wenn doch…

Und auch der Hase, der Bodhisattva war hinausgegangen und hatte Gras und Kräuter mit nach Hause gebracht. Dann frug er sich, ob er damit n wirklich genügend vorbereitet sei. Was wenn ein menschlicher Bettler käme? Gras fressen die Menschen bekanntlich nicht, sondern Reis, Brot und auch Fleisch, aber er besaß ja weder Reis- noch Getreidekörner… aber, er war aus Fleisch…

Von diesem tugendhaften und selbstlosen Nachdenken wurde der Thron von Sakka, dem König der Götter, wie vom Blitze getroffen erschüttert. Dieser verstand das Zeichen und entschloss sich auf die Erde zu gehen, um die Probe auf Exempel zu machen.

So kam Sakka, als Asket verkleidet, zur Behausung des Fischotters und blieb dort stehen. „Worauf wartest du denn, Asket“, fragte das Tier. „Nun, wenn ich etwas Speise bekäme, wäre mir wohl gedient, denn ich bin hungrig.“

„Gut“, sagte der Otter, „ich habe glücklicherweise sieben Fische. Iss davon, so viel du magst, du kannst auch hier bei mir im Wald wohnen.“

Der Gott antwortete: „Es hat bis morgen früh Zeit, jetzt habe ich noch etwas zu erledigen“, und er begab sich zum Affen. Dort wiederholte sich das gleiche, denn auch der Affe sagte: „Iss so viele von den Mangos, wie du magst. Du kannst auch bei mir hier wohnen.“

Dann ging Sakka zum Schakal, und auch dieser bot ihm an: „Ich habe zwei Fleischspieße und einen Topf mit Buttermilch, nimm davon, soviel du magst und du kannst auch gerne deine Heimstatt bei mir nehmen.“ Und wieder sagte der große Gott, er habe nach etwas zu erledigen.

Und so erschien der als Bettler verkleidete Götterkönig beim Bodhisattva, dem Hasen, der sich freute: „Gut hast du daran getan, edler Asket, dass du zu mir gekommen bist. Ich werde dir heute eine Speise kredenzen, die ich noch niemandem zuteil werden ließ, ein gar köstlich zartes Fleisch. Wenn du vielleicht etwas Holz sammeln kannst, dann werde ich es dir braten.“

Der Hase wollte sich selbst als Opfer darbringen, er nahm aber an, dass ein Asket nicht bereit war, ihn zu töten, also wollte er sich selber lebendig ins Feuer stürzen. Während Sakka Holz sammelte, schüttelte sich der Hase und rief allen Insekten in seinem Fell zu: "Bringt euch in Sicherheit, meine kleinen Freunde, ich werde gleich verbrennen.“

Und als das Feuer aufloderte stürzte sich der Hase hinein -  doch er fing kein Feuer. „Nanu, was ist denn das, ist das Feuer nicht heiß genug?“ wunderte sich der Hase. Da eröffnete ihm der vermeintliche Asket, dass er kein anderer war als Sakka, der wundermächtige göttliche König des Himmels und der Erde, und dass er den Hasen habe auf die Probe stellen wollen.

Dann ergriff Sakka einen Berg, zerdrückte ihn und mit dem daraus gewonnen Saft malte er das Portrait des Hasen auf die Mondscheibe und er sprach: „So soll für alle Zeiten bis zum Ende dieses Universums der Ruhm und die Selbstlosigkeit des Hasen allen Menschen auf der Welt ein Vorbild sein.“

Und das ist der Grund, warum man in den asiatischen Ländern keinen „Mann im Mond“ sieht, sondern einen Hasen. Und immer wenn Vollmond, Halbmond oder Neumond ist, wird der Uposatha-Tag gefeiert.



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