Das Julfest, Weihnachten, und die Göttin von Karma und Wiedergeburt, Hel
Eine germanisch-buddhistische Annäherung an das Weihnachtsfest

überarbeitet im Dezember 2022


Das größte und wichtigste Fest der Germanen, Kelten und Slaven war das Julfest am 21. Julmond, wie der Dezember hieß, bevor der römische Kalender übernommen wurde. An diesem Tag, dem kürzesten des Jahres, wurde die zyklische Wieder­geburt der Natur und aller ihrer Wesen gefeiert. Jul bedeutet Rad. Das Rad ist auch das Symbol des Buddhismus. Hier ist insbesondere das achtspeichige Dharma­cakra, das Rad der Lehre, das den Edlen Achtfältigen Pfad symbolisiert, zu nennen und natürlich das bhava cakra, das Rad des Werdens, häufig auch als tibetisches Lebensrad bezeichnet, in dem Karma und Wiedergeburt symbolisch dargestellt und erläutert werden. Quelle: http://www.reikiforum.de/julfest-rauhnaechte-2039.html

Traditionell feierten die Germanen zur Wintersonnenwende das Julfest, das die Zeit zwischen den Jahren einleitete, bevor am 1. Hartung (Neujahr) das neue Jahr beginnt. Gefeiert wurde die Wiedergeburt der Sonne nach dem Tod durch den Winter. Gebräuchlich ist es, das Haus mit immergrünen Pflanzen zu schmücken, ein Julfeuer zu entfachen und sich zu beschenken (Julklapp). In den skandinavischen Sprachen heißt Weihnachten noch heute Jul, im Englischen hieß es Yule und auch im Nordfriesischen heißt es Jül. Quelle: http://www.definero.de/Lexikon/Julfest

Die "geweihten Nächte" (also: Weihnachten) verheißen das Wissen um die große Umkehr, um den Wiederaufstieg des Lichtes und um die Geburt des neuen Lebens. An Jul ist die Dunkelheit gebannt, die Nächte werden wieder kürzer und was tot schien und verloren, wird wieder erwachen. Das Julfest ist ein harmonisches Netzwerk ineinandergreifender Sonnen-, Toten- und Fruchtbarkeitsriten und symbolischer Handlungen zur Neuaktivierung menschlicher und natürlicher Kraft. Den Höhepunkt der dunklen Zeit bildet Jul, das Weihnachtsfest. In dieser längsten Nacht des Jahres erfüllt sich das Versprechen der Wiedergeburt.

Der Name JUL oder JOL hat einen ganz alten Bezug zur germanischen Gottheit Odin. Seine wilden Ritte in der Winterzeit und zu den Rauhnächten mit dem wilden Heer heißen "JOLAREIDI". Das erinnert sehr stark an das alpenländische Jodeln. Die Tradition rund um den Weihnachtsmann begann also mit Odin, dem Göttervater der germanischen Gottheit der Asen. Odin ging zur Wintersonnenwende am 21. 12. von Haus zu Haus und brachte den Kindern Nüsse und Äpfel. Dank dieser Lebensmittel hatten sie gute Chancen in Zeiten hoher Kindersterblichkeit, den Winter gesund zu überstehen. Odin hatte auch eine Rute dabei, doch nicht, um die bösen Kinder zu züchtigen, sondern um sie mit einer Berührung mit einem Zweig von der großen Weltenesche Yggdrasil mit Kraft und Gesundheit zu versehen.

Es gab viele Kulturen, die im Altertum zur Wintersonnenwende die Wiedergeburt der Sonne und des Lichtes feierten. Z. B. römische der Mithras-Kult, dann auch in Ägypten Isis und die Geburt des Horuskindes. Und immer wieder auch Dionysos, der im alten Griechenland als Erlöser und Gott der Fruchtbarkeit galt. Mit der Ausbreitung des römischen Reiches wurde die Wintersonnwende dann zum römischen Staatsfeiertag ausgerufen als Geburtstagsfeier des "sol invictus" - der unbesiegbaren Sonne, die Römer nannten ihn daher „dies natalis sol invictus“. Also auch die Idee einer Geburtstagsfeier zur Wintersonnwende war keineswegs eine Erfindung des Christentums. Statt „dies natalis“ sagt man in Italien heute „buon natale“. Quelle: http://www.jahreskreis.info/files/wintersonnenwende.html und https://blog.kostuempalast.de/coca-cola-weihnachtsmann-oder-nikolaus-wer-hat-den-mantel/

Der deutsche Begriff "Weihnachten" weist bereits auf seine Mehrzahl hin und besitzt Assoziationen zum altdeutschen Begriff "wjh", was "heilig" bedeutet. Das germanische Weihnachten umfasst einen Zeitraum von genau 11 Tagen und 12 Nächten. Diese "Stille Zeit" liegt zwischen dem alten Mondjahr und dem neuen Sonnenjahr. Erklären lässt sich das astronomisch: ca. 365 mal dreht sich die Erde um ihre eigene Achse, während sie die Sonne umkreist. Auch der Mond dreht sich um sich selbst, jedoch rascher als unser Heimatplanet. So braucht der Mond exakt 29,5 Tage für seine Umkreisung der Erde. Nun ergibt sich rein rechnerisch ein Unterschied zwischen Mond- und Sonnenjahr. Denn 12 mal 29,5 Tage ergeben 354 Tage anstatt 365. Deshalb wird die Zeit zwischen 21. Dezember und 1. Januar weder zum alten noch zum neuen Jahr hinzugerechnet ("zwischen den Jahren"), sie stellt also eine Art Zwischenstadium da. Der tibetische Begriff für Zwischenstadium ist übrigens Bardo, bestens bekannt aus dem Bardo Thödol, dem Buch, dessen deutsche Ausgabe „tibetisches Totenbuch“ heißt. Und auch dieses Buch befasst sich in erster Linie mit dem Bardo, dem Zwischenstadium zwischen Tod und Wiedergeburt. Quelle: http://www.runenkunde.de/brauchtum/jul.htm

Verehrt wurde am Julfest die Totengöttin Hel. Ab dem 10. Jahrhundert wurde dann das Wort "Hel" (es bedeutet Vergeltung, Karma) zu einer synonymen Bezeichnung für die Unterwelt, wobei dieser Begriff nicht negativ missverstanden werden darf. Erst die Kirche deutete diese Welt zum Ort der Qualen um und formte daraus die grausame Hölle für die "Sünder". Ursprünglich hatte die Verbindung von Hel mit Winter, Sonnen­wende und Wiedergeburt natürlich nicht nur eine negative Seite, sondern auch eine äußerst positive, da so der Weg frei für neues Leben wurde. Hel ist somit nicht nur Toten – sondern auch Schutzgöttin; doch woran wir bei ihr sind, bleibt uns verborgen, verhehlt. Quelle: www.naudhiz.org

Der Mythos um die Göttin Hel hat übrigens die Zeit des christlichen Mittelalters überlebt, er existierte im Volksmärchen fort und wurde besonders in der Wetterau, dem Vogelsberg und im Kinzigtal gepflegt. Im 19. Jahrhundert wurde dieses Volksmärchen durch Jacob und Wilhelm Grimm weltweit publiziert und ist heute fast jedem bekannt. Die Göttin Hel ist hier Frau Holle.

Der Pfungstädter Pfarrer Heinrich Zinn schreibt 1926 in seinem Buch mit dem Titel „Altheilige Orte und Spuren altheidnischer Verehrung der Göttin Holle oder Hulle im oberen Vogelsberge“: "Wir sahen schon, dass gerade der menschlich milde und freundliche Charakter der Kindermutter Holle es war, der ihre Namen und Kultstätten beim Aufkommen des Christentums vor Zerstörung und Verzerrung ins Teuflische bewahrte und geeignet erschienen ließ, ins Christliche umgedeutet zu werden. So wurde die Holle zur Jungfrau Maria, und wir dürfen sicher sein, dass überall, wo heute die Maria in geheimnisvollem Bergwald wohnt und das Christkind, statt vom Himmel, aus urzeitlichen Felsgrotten kommt, ehemals nach dem Glauben unserer Vorfahren die Frau Holle gewohnt hat."

Vielleicht sollten wir uns das Märchen, oder besser: den Mythos von Frau Holle abschließend gemeinsam betrachten.

Eine Frau hatte zwei Töchter, eine hübsche, fleißige, die hart arbeiten musste, und eine hässliche, faule, die sich alles herausnehmen durfte, weil sie die leibliche Tochter der Frau war, die andere aber nur ihre Stieftochter.

Die fleißige Tochter musste spinnen, und ihr fiel die Spindel dabei in den Brunnen. Die Stiefmutter zwang sie in den Brunnen herabzusteigen und die Spindel zu suchen. (Das Kind im Brunnen ist ein altes Todessymbol, wobei der Brunnen immer auch für das verborgene, tiefgründige, Unbewusste steht.)

Auf diesen symbolischen Tod folgt die symbolische Wiedergeburt: Das Mädchen findet sich alsdann auf einer schönen blühenden Wiese wieder, also einem frühlingshaften Wiedergeburtsambiente.

Sie geht durch diese neue ihr nicht vertraute Welt, in die sie wiedergeboren ist. Dort kommt sie an einen Backofen, in dem Brot gebacken wird; die Brote jedoch rufen: „Hilfe, zieh uns heraus, wir verbrennen, wir sind doch schon längst durchge­backen.“ Das Mädchen geht hin und holt das Brot aus dem Backofen – altruistische Hilfsbereitschaft, Mitgefühl. Die Gluthitze im Backofen ist natürlich ein Symbol für den Sommer. Nach der frühlingshaften Wiese also das zweite Symbol für den Jahreskreis.

Sie geht weiter und kommt an einem Apfelbaum vorbei, der auch um Hilfe ruft: „Bitte hilf mir, die Äpfel sind doch überreif und sie sind viel zu schwer für mich, ich fürchte meine Äste werden unter der Last zerbrechen. Komm und schüttle mich, damit die Früchte herunterfallen.“ Hier haben wir mit den überreifen erntefertigen Früchten ein typisches Herbstsymbol und auch hier wieder handelt das Mädchen voller Mitgefühl mit einem anderen Wesen, dem Apfelbaum.

Dann schließlich kommt sie zum Haus der Frau Holle, einem typischen Winter­symbol. Frau Holle bietet ihr an, sie könne bei ihr bleiben, wenn sie für sie arbeite, Frau Holle (also die Göttin Hel, die für Karma und Vergeltung steht) bietet Kost und Logis - jedoch keine weitere Entlohnung. Dafür soll das Mädchen ihr den Haushalt führen. Besonderen Wert legt Frau Holle darauf, dass sie die Betten ordentlich aufschüttelt. Das Mädchen tut wie ihr geheißen, und wenn sie die Betten aufschüttelt „stieben die Bettfedern tüchtig davon und es schneit drunten auf der Erde, so dass die Kinder sich freuen und Schlitten fahren und Schneemänner bauen können“. Also auch hier altruistisches Handeln, das anderen Freude bereitet. Interessant ist auch die Wortwahl „drunten auf der Erde“, denn sie zeigt, dass das Mädchen in einer Parallelwelt lebt. Obwohl sie nach unten in den Brunnen gestiegen ist, ist sie jetzt irgendwo oben, nicht auf der uns bekannten realen Welt, sondern in einer Art Paralleluniversum. Oder um es nicht räumlich, sondern zeitlich zu fassen, in einem Zwischenzustand, einem Bardo.

Dieser Zwischenzustand endet jedoch bald, denn „übers Jahr“ (wie es im Märchen heißt) wird sie von Frau Holle zurück geschickt in die normale irdische Welt. Dazu muss sie ein Tor durchschreiten. Das Durchschreiten eines Tores ist ein typisches Geburtssymbol, es symbolisiert den Geburtskanal, durch den wir in ein neues Leben eintreten. Und wie sie durch dieses Tor tritt, regnet Gold auf das Mädchen herab. Sie erhält Vergeltung für ihre guten Taten. Das positive Karma, das sie geschaffen hat, „trägt Früchte, die auf den Täter der ethisch bewertbaren Taten schließlich zurückfällt“, was die Definition von karma-vipaka (karmische Früchte) ist. Auch hier tritt wieder ein Zeitsymbol auf, ein Hahn. Der Hahn begrüßt üblicherweise den neuen Tag (die Wiedergeburt des Tages) hier begrüßt er das Mädchen und gibt ihr, wie es sich bei einer Geburt gehört, einen Namen: „Kikeriki, Kikeriki, die Goldmarie ist wieder hie.“ Und wir erfahren noch, dass das Glück symbolisierende Gold, ihr im ganzen weiteren Leben anhaftete, es handelt sich also um recht nachhaltiges positives karma vipaka.

Schließlich spielt der Mythos auch noch durch, was passiert, wenn wir nicht voller Mitgefühl, sondern eigensüchtig handeln. Um dies zu demonstrieren, lässt die Mutter der Goldmarie nun auch ihre andere Tochter, die Faule, in den Brunnen herabsteigen. Und nun wiederholen sich die gleichen Gegebenheiten, um uns zu demonstrieren, wie Handlungen auf der karmischen Ebene, also ethisch bewertbare Handlungen wirken, wenn man sich karmisch ungeschickt, also selbstsüchtig, verhält.

Nachdem auch das faule Mädchen - buddhistisch ausgedrückt: diejenige, derer es der Paramitas (Tugenden) dana (Großzügigkeit), sila (Ethik), ksanti (Geduld) und viriya (Tatkraft) ermangelt - nach dem also dieses faule Mädchen auch auf der Wiese des Frühlings erwacht ist, geht sie am Backofen vorbei. Natürlich ruft das Brot wieder um Hilfe, aber das ungeschickte Mädchen handelt selbstsüchtig: „Was hab´ ich denn davon? Am Ende kann ich mir noch die Finger verbrennen.“ Und auch beim Apfelbaum handelt sie nicht mit Mitgefühl, sondern betrachtet die Situation egoistisch: „Was hab' ich davon, wenn ich Dich schüttle Baum? Womöglich fällt mir noch ein Apfel auf den Kopf und ich hole mir einen Splitter in den Finger.“

Bei Frau Holle wähnt sich die Faule am Ziel. Auch sie nimmt die Stelle an, ist sie doch auf die Belohnung mit dem Golde scharf. Allerdings erledigt sie die Arbeiten nicht zur Zufriedenheit von Frau Holle. Sie macht nur das Nötigste und auch das nur, wenn Frau Holle zusieht. Ansonsten faulenzt sie. Insbesondere die Betten schüttelt sie nicht richtig auf, und auf der Erde fällt zum Leidwesen der Kinder kaum Schnee.

Als ihre Zeit um ist lässt Frau Holle sie durch das Tor der Wiedergeburt zurückkehren auf die Erde, doch statt des erhofften Goldes, regnet Pech auf das Mädchen herab, Pech das ihr zeitlebens anhaftet und der Hahn verkündet ihren Namen: „Kikeriki, Kikeriki, die Pechmarie ist wieder hie.“

Ich denke schöner kann man in einem Mythos das Wirken von Handlungen, von Karma, auf Wiedergeburt nicht ausdrücken.

Und deswegen werde ich in der Weihnacht, in den geweihten Nächten zwischen dem 21. Dezember und Neujahr, jeden Abend ein Lichtopfer, eine Kerze, entzünden, um so der mythologischen Göttin von Karma und Wiedergeburt, der Hel, der Frau Holle, zu gedenken. Ich werde mit einer Kerze Licht in die Dunkelheit bringen. Ich werde feiern, dass die Tage wieder länger werden. Ich werde dem Wiedergeburtssymbol der Wintersonnenwende gedenken. Und ich werde dessen eingedenk sein, dass Karma, absichtliches Handeln, zwangsläufig zu karma vipaka führt, Früchte trägt, die von der Intention geprägt sind, mit der die Handlung begangen wurde. Ich werde mir bewusst sein, dass ich einen Teil dieser Früchte meines Karma bereits in diesem Leben ernten werde und einen anderen Teil in einem späteren Leben, wenn ich durch das Tor der karmischen Vergeltung schreite, wo der Hahn meinen neuen Namen verkünden wird.

In diesem Sinne – Euch allen Frohe Weihnachten!

(metta chanadivasa – Fest der Liebe)



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