Ethische Vorsätze und Gewissensreinheit

sila samvara + avipatissara

ein Vortrag von Horst Gunkel bei der Buddh. Gemeinschaft Gelnhausen am 2. Sept 2021



Die buddhistischen Vorsätze für Laien und Übende in den ersten Übungsjahren lauten:

Es geht also um fünf Prinzipien, nämlich um

Für fortgeschrittene Übende gelten zehn Vorsätze. Die ersten drei Vorsätze, die das das Handeln mit Taten betreffen sind identisch, also diejenigen die Freundlichkeit, Großzügigkeit und Genügsamkeit betreffen.

Während aber auf dem Gebiet des sprachlichen Handelns von den Anfängern nur Wahrhaftigkeit verlangt wird, sind die Ansprüche für die fortgeschrittenen Übenden deutlich weitergehend:

Mit freundlicher Sprache läutere ich meine Rede.

Ich rede also zu jedem so, als wenn ich zu einem guten Freund spreche. Das, was wir in der metta bhavana eingeübt haben, die freundliche Zuwendung zu allen fühlenden Wesen, wenden wir also auch beim Sprechen an. Ich stoße niemenaden vor den Kopf, ich erspare mir auch jede Form von Zynismus. Ganz wichtig: ich komme nicht mit Schuldzuweisungen, auch nicht mit versteckten Unterstellungen. Ich spreche mit jedem und jeder so, wie ich mir wünschte, dass die Leute mit mir reden. Und noch weiter:

Mit hifreicher Sprache läutere ich meine Rede.

Hilfreich bedeutet dabei immer, dass sie für den anderen hilfreich ist. Und das heißt sowohl hilfreich in den Belangen des alltäglichen Lebens als auch hifreich für die spirituelle Entwicklung. Small talk ist nicht verboten, höfliche Belanglosigkeiten haben ihren Stellenwert, sie helfen beim Einstieg ins Gespräch. Sie sind so etwas wie eine vertrauensbildende Maßnahme. Aber ein Gespräch, das nicht über Allgemeinplätze hinausgeht, ist nicht wirklich hilfreich. Es ist nicht hilfreich in den alltäglichen Belangen und es ist erst recht nicht hilfreich, um den Gegenüber in spirituellen Dingen zu unterstützen. Wir dürfen dennoch nicht missionarisch wirken, denn wir wollen dem anderen helfen und ihn nicht spirituell vergewaltigen.

Mit Harmonie stiftender Sprache läutere ich meine Rede.

Dabei ist keineswegs nur die Harmonie zwischen den Gesprächspartnern gemeint. Diese Pseudo-Harmonie wir ja auch erreicht, indem man sich über Dritte (Abwesende) echauffiert. Harmonie stiftende Sprache sollte vielmehr auch Verständnis für Dritte fördern. Und diese Dritte das ist nicht nur die Freundin, die gerade nicht anwesend ist. Nein, auch wenn ich mit jemandem über – sagen wir - die Taliban rede, dann sehe ich in diesen verblendete Menschen. Verblendung kenne ich von mir selbst. Ich bin dankbar, dass ich weniger verblendet bin als früher. Und ich bin dankbar dafür, dass mir andere geholfen haben, Teile meiner Verblendung zu überwinden. So will ich auch tun. Verstndnis für Verblendete bedeutet nicht, deren Taten gutzuheißen oder zu entschuldigen. Es bedeutet Verständnis für ihr Leben, für die Art, wie sie in Verblendung gerutscht sind, zu entwickeln. Wenn ich beispielsweise an die Taliban denke, dann sehe ich in ihnen spirituell Suchende, die das Pech hatte, einem Hassprediger auf den Leim zu gehen. Ich sehe in ihnen Personen, die unsere Lebensweise hier im Westen ablehnen, weil sie ihnen egoistisch, spirituell armselig und werteverachtend erscheint. Ja, unsere Gesellschaft ist in weiten Teilen egoistisch, sie ist spirituell armselig und sie ist werteverachtend. So wie es uns vielleicht schwer fällt, in den Taliban den spirituell aufrechten, gehorsamen gottgefälligen Gesellen zu sehen, so fällt es dem Taliban schwer in unserer konsumberauschten Gesellschaft die spirituell Strebenden zu erkennen. Merkt ihr, was ich gerade mache? Ich bemühe mich um Disharmonie abbauende und Harmonie stiftende Sprache, ich werbe um gegenseistiges Verständnis und darum, die Dinge so zu sehen, wie sie wirklich sind, und nicht nur einseitig, aus einer An-Sicht heraus. Der Buddha hat alle Ansichten abgelehnt. Es geht darum die Dinge so zu sehen, wie sie wirklich sind, also auch die Seiten zu betrachten, die die eigenen Vorurteile nicht bestätigen.


Und damit kommen wir zum dritten Bereich, zu Arbeit an unserem Geist, zu den Geistsvorsätzen. Während vom Anfänger in den fünf silas nur verlangt wurde, auf bewusstseintrübende Mittel zu verzichten, geht es für fortgeschrittene Übende darum, die drei Wurzelübel in Angriff zu nehmen.


Gier löse ich auf in Stille und läutere so meinen Geist.

Das setzt voraus, dass ich die Gier, das neurotische Verlangen, in mir erkenne. Es setzt auch voraus, dass ich sehe, wodurch diese Gier entsteht und mich dementsprechend nicht in Umstände begebe, die diese Gier fördern. Und es setzt voraus, dass ich weiß, durch welche Handlungen ich die Gier auflösen kann. Ich muss mich also beständig in Achtsamkeit üben, um die Auslöser der Gier zu erkennen und zu vermeiden und das zu erkennen, was mich zu Stille führt,


Hass kehre ich um in Mitgefühl und läutere so meinen Geist.

Mitgefühl wächst durch Verständnis für die Umstände, unter denen Hass entsteht. Ich habe in meinen Ausführugen über die Taliban dieses Thema ganz leicht angesprochen. Versetze dich in Gedanken in einen armen Jungen in den Bergen Afghanistans. Bei Familienfeiern hört er von Stammesanghörigen, die von US-Drohnen getötet wurden, von Familienvätern, deren Kinde jetzt Waisen sind. Spüre die Armut in diesem Land. Und in die Ohnmacht gegenüber den reichen Angreifern, die diese Drohnen steuerten. Mache dir klar, wie es einem Knaben im patriaachalischen Afghanistan geht, der als den idealen Übervater ein tranzendentes Wesen sieht, den er Allah nennt und von dem er den Spruch kennt „mein ist die Rache“. Wie alle Knaben möchte er dem Guten dienen, die Bösen bestrafen und hofft auf eine Belohnung durch diesen Allmächtigen, seinen Verbündeten. Ich bin froh, dass ich nicht dieser Knabe bin. Aber ich habe für ihn genausoviel Verständnis wie für ein eigenes Kind, das irgendwann auf die schiefe Bahn geraten ist.

Was ich gerade mache, entspricht übrigens dem letzten dem zehnten Vorsatz:


Unwissenheit verwandle ich in Weisheit und läutere so meinen Geist.


Wenn wir uns auf diese Weise läutern, wenn wir die zehn Vorsätze und nicht nur die fünf üben, wenn wir diese Vorsätze durch Üben immer mehr zu unserer zweiten Ntur werden lassen, dann kommen wir dazu, die Früchte unserer guten Taten auf den drei Wegen, also unserer guten Taten im Handeln, unserer guten Taten im Reden und unserer guten Taten im Denken zu ernten.

Wenn wir uns allmählich ethisch immer mehr vervollkommenen, dann entsteht Gewissensreinheit, es entsteht Reuelosigkeit, weil es nichts mehr zu bereuen gilt. Wenn wir uns so weit entwickelt haben, dann ist die Grundlage gelegt, liebe Brüder und Schwestern, für die weiteren, die glücklichen Schritte zur Freiheit, zum Lichte empor

Erleuchtung, Erwachen ist erreichbar und das Hüten der Vorsätze und die daraus entstehende Gewissensreinheit sind entscheidende Schritte.



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Das Blatt (ficus religiosa) im Hintergrund dieser Seite stammt vom Bodhi-Baum aus Anuraddhapura in Sri Lanka. Dieser ist ein direkter Abkömmling des Baumes, unter dem der Buddha seine Erleuchtung hatt