Ambapali - Kurtisane und Heilige
eine Geschichte aus dem Pali-Kanon, den ältesten buddh. Schriften
erzählt von Horst Gunkel
(c) Copyright by Horst Gunkel - letzte Änderungen 2014-02-05

 

Es war ein schöner Sommertag, als der Gärtner eines Fürsten der Adelsrepublik Licchavi über eine kleine Brücke im Park seines Herrn in Vesali auf einen Mangobaum zuging. Höchst erstaunt war er, als unter dem Baum ein Bündel liegen sah. Beim näheren Betrachten stellte es sich heraus, dass es sich um ein Findelkind handelte.Er nahm das Kind mit in seine Kate, und es wurde nach seinem Fundort Ambapali genannt, den amba heißt „Mango“ und pali bedeutet „Zeile“ oder „Brücke“.

Das Mädchen wuchs heran und wurde dabei immer schöner und anmutiger, was auch den Licchavifürsten auffiel, so nahm es nicht Wunder, dass gleich mehrere von ihnen sie zur Frau begehrten. Es kam zu heftigem Streit und zu Auseinandersetzungen.Doch schließlich kommt ihnen die Idee einer wahrhaft salomonischen Lösung: warum sollte sie nur einer erhalten, wenn doch das, was sie begehrten, alle erhalten könnten? Sie beschlossen also, sich Ambapali zu teilen. Sie wurde damit zu einer Kurtisane im eigentlichen Wortsinne, zu einer Hofdame.

Da sie einen guten Charakter hatte, wirkte sie in vielerlei Hinsicht mäßigend auf die Fürsten ein. Diese zeigen sich sehr spendabel. Ambapali wiederum verwendet einen Großteil des Geldes, das sie erhielt, für wohltätige Zwecke. Auf diese Art wurde Ambapali in Licchavi so beliebt wie seinerzeit Eva Peron in Argentinien. Und Ambapalis Ruf verbreitete sich auch schnell in den Nachbarstaaten. Auch der Raja (Herrscher) von Maghada, Bimbisara, vernahm die Kunde von der wunderbaren Frau und er wollte gern für sein Land eine ähnliche Attraktion, beschloss allerdings zunächst „studienhalber“ Licchavi zu besuchen. Die Studien erweisen sich als sehr fruchtbar, im wahrsten Sinne des Wortes: Ambapali schenkt König Bimbisara einen Sohn.

Ambapali ist jetzt auf der Höhe ihrer Beliebtheit, sie besitzt inzwischen einen Mangohain. Zu dieser Zeit bereist der greise Buddha auf seiner letzten Wanderschaft Vesali und er verweilt mit seinen Mönchen im Mangohain. Ambapali ist begeistert über den hohen Besuch und sie beschließt zum Buddha zu gehen. Die Mönche sind etwas verunsichert über den plötzlichen Besuch eines Freudenmädchens, aber der Buddha begrüßt die hübsche Frau, bietet ihr einen Platz an und hält ihr eine Lehrrede über den Dharma. Insgeheim beschließt Ambapali, ihr Sohn möge eines Tages den Weg des Buddha gehen und Mönch werden.

„Danke, Erleuchteter, herzlichen Dank, Heiliger Mann, darf ich dich und deine Mönche um die Ehre bitten, morgen in mein Haus zu kommen und mit mir zu speisen?“

Schweigend – wie das so seine Art war - nahm der Buddha das Angebot an. Ambapali verbeugte sich, bestieg ihren Wagen und hieß den Kutscher zum Markt zu fahren, damit sie Einkäufe erledigen könne. Unterwegs begegneten ihr die Licchavifürsten, sie lenkten ihren Wagen neben den Ambapalis und fragten, warum sie es denn so eilig habe.

„Der Buddha, der Vollendete, der Heilige, der ganz und gar Erwachte, wird morgen mein Gast sein, und ich will sehen, dass ich ein Festmahl für ihn und seine Freunde bereiten kann.“

„Nun, wenn der Buddha nur einen Tag hier ist, so denke ich es geziemt sich, dass er uns die Ehre gibt und nicht dir!“ sprach da der älteste der Fürsten.

„Der Buddha wird zu mir kommen und mit mir speisen.“

„Ach komm, Ambapali, verkaufe uns das Recht den Heiligen Mann zu bewirten, er ist schon achtzig Jahre alt und wir werden nicht mehr die Gelegenheit haben, einen solchen Weisen in unser Schloss zu bitten. Weißt du, Ambapali, es wird dein Schaden nicht sein, ich biete dir 100.000 Goldstücke! Stell dir nur vor, wie viel Gutes du damit für die Armen tun kannst!“

„Ihr wisst, Fürsten von Licchavi, ihr bekommt von mir fast alles für Geld. Aber die Ehre, den großen Buddha in meinem Haus bewirten zu können ist absolut unveräußerlich.“

Da beschlossen die Fürsten selbst zum Buddha zu gehen und die Kurtisane durch ein besseres Angebot auszustechen.

„Werter Herr Gotama,“ wandte sich der Sprecher der Fürsten an den Buddha, „wir sind froh und stolz den weltberühmten Weisen Gotama in unserer Republik begrüßen zu können. Wir möchten Euch bitten, am morgigen Tag zu unserem Palast zu kommen und im Kreise der Edelsten des Staates zu speisen und nicht in einem Hurenhaus.“

„Ich werde am morgigen Tag in der Tat mit einer der Edelsten in diesem Lande speisen, mit der Kurtisane Ambapali!“ entgegnete der Buddha.

Erzürnt fuhren die Fürsten von dannen und schimpften: „So eine Gemeinheit, wir wurden von einem Mangomädchen besiegt, von einer, die sich prostituiert!“

Der Besuch des Buddha machte in der Tat nicht nur auf Ambapali, sondern auch auf ihren Sohn einen tiefen Eindruck. Und so wie sich dies seine Mutter gewünscht hatte, wächst in ihm der Wunsch, Mönch zu werden. Nur wenige Jahre später, der Buddha ist inzwischen verstorben, wird der Junge ordiniert, er erhält den Namen Viamala-Kondanna. Innerhalb weniger Jahre erreicht er das Ziel, die Erleuchtung.

Als Arahat kehrt er zurück nach Vesali. Diemal ist er bei seiner Mutter zum Essen eingeladen. Zum Dank hält er eine Lehrrede. Ambapali beschließt auch den Weg des Erhabenen zu gehen, sie wird Nonne. Ihr Meditationsobjekt ist ihr eigener Körper. So meditiert sie über Leidhaftigkeit, über Vergänglichkeit, über Wesenslosigkeit. Diese Meditationsverse von ihr sind uns in den Therigatha, den Liedern der Nonnen, überliefert:

Mein Haar war schwarz, von der Farbe der Bienen,

Jedes Haar endete in einer Locke.

Wegen meines hohen Alters

Sieht es nun wie Hanffasern aus:

Nicht anders ist das Wort dessen, 

Der die Wahrheit spricht.

Mit Blumen bedeckt, verströmte mein Haupt

Einen würzigen, zarten Duft.

Wegen meines hohen Alters

Riecht es heute wie das Fell eines Hundes.

Nicht anders ist das Wort dessen,

Der die Wahrheit spricht.

Früher waren meine Augenbrauen wundervoll

Wie Halbmonde, gemalt von der Hand eines Künstlers.

Wegen meines hohen Alters

Hängen sie nun herab, von Falten umgeben.

Nicht anders ist das Wort dessen,

Der die Wahrheit spricht.

Wunderschön und glänzend wie Juwelen 

Waren meine Augen, dunkelblau und mandelförmig.

Heute, schwer gezeichnet vom Alter, 

Ist ihre Schönheit völlig verflogen. 

Nicht anders ist das Wort dessen, 

Der die Wahrheit spricht.

Früher sahen meine Zähne wundervoll aus,

Hatten die Farbe von Bananenknospen.

Wegen meines hohen Alters

Sind sie nun zerbrochen und gelb.

Nicht anders ist das Wort dessen,

Der die Wahrheit spricht.

Früher war mein ganzer Körper wundervoll

Wie ein poliertes Goldblech.

Heute ist er überall von Falten durchzogen.

Nicht anders ist das Wort dessen,

Der die Wahrheit spricht.

Früher sahen meine Füße sehr gut aus,

Wie Schuhe voller Baumwolle.

Wegen meines hohen Alters

Sind sie nun voller Furchen und Falten.

Nicht anders ist das Wort dessen,

Der die Wahrheit spricht.

Früher waren meine Brüste prächtig anzusehen

Üppig, rund, fest und hoch.

Nun hängen sie nur herab

Wie ein Paar leere Wasserbeutel.

Nicht anders ist das Wort dessen,

Der die Wahrheit spricht.

Dies ist mein Körper, heute hinfällig geworden,

Die Heimstatt vieler Arten des Leidens,

Er ist nur noch ein baufälliges Haus

Von dem der Gips abfällt.

Nicht anders ist das Wort dessen,

Der die Wahrheit spricht.


 

Ambapali war Prostituierte.

Ambapali war Nonne.

Sie praktizierte.

Sie erreichte Heiligkeit.

Hier ihre letzten Worte:

Bedient von Millionen Wesen
Schritt ich fort in Buddhas Lehre.
Ich erreichte den unerschütterlichen Zustand,
ich bin eine echte Tochter Buddhas geworden:

Alle meine Grundübel sind vernichtet,
Nun gibt es keine Wiedergeburt mehr.



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Das Blatt (ficus religiosa) im Hintergrund dieser Seite stammt vom Bodhi-Baum aus Anuraddhapura in Sri Lanka. Dieser ist ein direkter Abkömmling des Baumes, unter dem der Buddha seine Erleuchtung hatte.